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Turbulenz
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Die Regisseurin und Emmy-Preisträgerin Anne Aghion sieht sich als Sprachrohr für Menschen, die schwere Erlebnisse verarbeiten müssen. Sie selbst hat es lange Zeit vermieden, sich mit dem frühen Verlust ihrer Mutter und den Auswirkungen der Holocaust auf die Familie ihres Vaters auseinanderzusetzen. Als Kind verdrängt Anne Aghion alle Erinnerungen an ihre verstorbene Mutter. Als Jugendliche durchlebt sie eine rebellische Phase, die alles bisher Erlebte überschattet und sie sogar mit dem Gesetz in Konflikt bringt.
Später zeigt sie als engagierte Filmemacherin, wie Menschen unter extremen Bedingungen leben und überleben, etwa nach einem verheerenden Erdbeben in Nicaragua oder in der Eiseskälte der Antarktis. Vor allem aber hält sie mit ihrer Kamera jahrelang das unfassbare Leid der Menschen in Ruanda fest, die nach dem Völkermord von 1994 wieder zu einem friedlichen Miteinander finden müssen. Diese Arbeit für "Ruanda - Ist Versöhnung möglich?" (2004) fügt ihr weitere Traumata zu. Von Kritik und Publikum gefeiert, ignoriert Aghion ihre eigene Trauer so lange, bis der Leidensdruck zu groß wird.
In filmischen Briefen an ihre Mutter, an die sie kaum Erinnerungen hat, der sie aber sehr ähnlich ist, unternimmt die Regisseurin eine Reise um die Welt. Aufnahmen von ihrer Familie, Ausschnitte aus ihren eigenen Filmen, animierte Aquarellbilder und aktuelle Filmsequenzen aus Indien, Frankreich und New York fügen sich zu einem faszinierenden und sehr ergreifenden Gesamtbild zusammen.
Der Dokumentarfilm stellt eine Frage, mit der jeder Mensch irgendwann konfrontiert wird: Wie ist es möglich, nach erlittenen oder miterlebten Schmerzen, Verletzungen oder Traumata wieder mit sich und anderen Frieden zu schließen?