TV Programm für MDR am 17.01.2021
Jetzt
Prügel, Drohungen, Hetzjagden - in den Nachwendejahren brachen in Ostdeutschland Hass, Rassismus und Gewalt auf, besonders unter Jugendlichen. An vielen Orten gehörten Straßen und Plätze der rechten Szene. Bomberjacken, Springerstiefel und Hitlergruß zeigten dem eingeschüchterten Rest, wo man stand. Wer politisch andere Ansichten vertrat oder eine andere Hautfarbe hatte, musste nicht selten um sein Leben fürchten. Der Journalist und Autor Christian Bangel, in Frankfurt/Oder geboren und aufgewachsen, nannte diese für ihn prägende Zeit die "Baseballschlägerjahre". Als Bangel Ende 2019 auf Twitter mit dem Hashtag "Baseballschlägerjahre" dazu aufrief, Erinnerungen an diese Zeit zu teilen, traf er einen Nerv: Viele Menschen aus Ost und West meldeten sich zu Wort, um ihre Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen. Zu lange war über die Zeit der "Baseballschlägerjahre" geschwiegen worden. Eine Zeit, die bis heute nachwirkt. ZEIT-Autor Christian Bangel begibt sich gemeinsam mit Sven Wolters auf Spurensuche in Frankfurt/Oder und taucht ein in die "Baseballschlägerjahre" seiner Heimatstadt am Rande des wiedervereinten Deutschlands. Toralf Staud, Heike Kleffner, Lydia Meyer und Johannes Radke rekonstruieren den Fall, der die Brutalität und die Hemmungslosigkeit rechter Gewalt im Dezember 1990 zum ersten Mal offenkundig werden ließ: Die Tötung des jungen Angolaners Amadeu Antonio, der als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen war und von Skinheads im brandenburgischen Eberswalde erschlagen wurde. ZEIT-ONLINE-Reporterin Dilan Gropengiesser beleuchtet die späte Reaktion des Staates auf den anwachsenden Rechtsextremismus am Beispiel Brandenburgs: In ihrer Reportage "Nazis im Visier" beschreibt sie die Arbeit der MEGA, einer Sondereinheit der Brandenburger Polizei, die 1998 aufgebaut wurde, um rechte Gewalt einzugrenzen und zu verfolgen. Elke Sasse und Ulrike Neubecker versuchen zu ergründen, wie es denen erging, die unter Rassismus und Fremdenhass unmittelbar leiden mussten. Sie treffen Nguyen Dinh Khoi in Rostock, der weiß, was es heißt, der "Ausländer" zu sein. Nazis in Springerstiefeln und Bomberjacken riefen ihm "Fidschi" oder "Vietkong" hinterher. Er wurde verprügelt, bespuckt, beleidigt. Und trotzdem ist er geblieben. Adama Ulrich erzählt von den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und linker Szene in Magdeburg in den 90ern, bei denen Menschen verletzt und sogar getötet wurden und Stella Könemann und Paul Buske porträtieren einen jungen Mann aus Thüringen, der aus der militanten Neonazi-Szene ausgestiegen ist und sich als Zeichen der Abkehr in einem schmerzhaften Prozess seine rechten Tattoos entfernen lässt. Das Porträt zeigt eindrucksvoll, wie schwierig es für Betroffene ist, sich aus den rechtsextremistischen Strukturen zu befreien und wie rechtes Gedankengut nach wie vor das öffentliche Klima gerade in der ostdeutschen Provinz vergiftet. Sechs 15-minütige Dokumentarfilme setzen sich zu einem Nach-Wende-Panorama zusammen, das jene von Umbruch und Gewalt geprägten Jahre spiegelt und zugleich den Bogen in die Gegenwart schlägt.
Danach
Dem ostdeutschen Dorf Golzow, berühmt für Winfried Junges Langzeitdokumentarfilmprojekt "Die Kinder von Golzow", gehen die Kinder aus. Um sein Dorf vor dem Verschwinden zu retten, hat Bürgermeister Frank Schütz eine Idee: Syrische Flüchtlingsfamilien sollen nach Golzow ziehen. "Flüchtlinge sind unsere letzte Chance", sagt Schütz. Er träumt von Nachwuchs für Feuerwehr, Sportverein und Tanzclub, von syrischen Altenpflegern und Ärzten, von einem arabischen Restaurant und dem Bau einer Moschee in der nächsten größeren Kreisstadt. Doch die meisten Dorfbewohner wissen nicht einmal, wo Syrien liegt - und sind zunächst entsprechend skeptisch. Familie Sayed Ahmad probiert den Neuanfang in Golzow. Halima (30) und ihr Mann Fadi (40) versuchen, sich dem Dorfleben anzupassen. Tochter Kamala (9) ist eine der besten in ihrer Klasse, Sohn Burhan (7) geht in den Fußballverein und der kleine Hamza (3) in den Kindergarten. Die Familie fühlt sich wohl, auch wenn Fadi und Halima spüren, dass die Stimmung im Dorf je nach Nachrichtenlage schwankt. Doch der Unterschied zwischen ihrem Leben in einer syrischen Großstadt und dem in einem überalterten ostdeutschen Dorf könnte größer kaum sein. Immer wenn Halima an Syrien denkt, wird sie traurig. Vor dem Krieg war ihre Heimatstadt Latakia eine pulsierende Metropole. Fadi und Halima hatten ein gutes Leben und gute Jobs. Jetzt wohnen sie in einem schrumpfenden 800-Seelen-Ort und müssen von Hartz IV leben. Halima sucht einen Weg, beide Kulturen in ihrem neuen Leben unterzubringen. Denn: "In Golzow liegt unsere Zukunft", ist sie sich sicher. Der Krieg hat ihre Perspektiven in Syrien zerstört. Kann dieser Neustart in einer völlig neuen Kultur gut gehen? "Die neuen Kinder von Golzow" erzählt die Geschichte des Golzower Integrationsexperiments und zeichnet gleichzeitig ein sensibles Portrait der Familie Sayed Ahmad.
Darf man Menschen in die Psychiatrie einweisen, weil sie eine Gefahr für sich und andere darstellen? Verstößt diese Maßnahme nicht gegen das Recht auf Selbstbestimmung? Und wer entscheidet über eine Behandlung gegen den eigenen Willen? Rund zweihunderttausend Menschen werden jährlich zwangsweise untergebracht. Robert Weimann ist einer von ihnen. Vor mehr als zwanzig Jahren diagnostizierten Ärzte bei ihm eine paranoide Schizophrenie. Die Einnahme von Medikamenten und Therapien brach der heute Vierzigjährige immer wieder ab und geriet in einen Kreislauf aus Arbeits-und Obdachlosigkeit, Suizidversuchen und Klinikaufenthalten. Nach Einschätzung seines Psychiaters Dr. Uwe Lanz ist Robert Weimann auf ärztliche Behandlung angewiesen. Eine Zwangseinweisung sei aber immer nur das "allerletzte Mittel", um den Patienten und sein Umfeld zu schützen. Seine Mutter, Renate Weimann, hat ihren Sohn durch die Jahrzehnte mit der Krankheit begleitet. Oft blieb ihr kein anderer Ausweg, als ihren Sohn in eine Klinik einweisen zu lassen. Ähnlich geht es Katrin Müller. Ihre Tochter Nora leidet seit über zehn Jahren an Magersucht. Wenn ihr Zustand in den vergangenen Jahren lebensbedrohlich wurde, erfolgte eine Zwangseinweisung. Die erzwungenen Klinikaufenthalte und Therapien hat die heute 26-jährige Nora als "lebensrettend, aber auch als traumatischen Eingriff" wahrgenommen. Ihre Mutter weiß, wie freiheitsliebend ihre Tochter ist, aber sie muss auch immer wieder um ihr Leben bangen. Wie Renate Weimann erlebt sie den Zwiespalt zwischen Fürsorge und Freiheitsberaubung als unlösbaren Konflikt. Ein wichtiger Anker für Robert Weimann und Nora Müller ist der "Durchblick e.V." in Leipzig. Hier werden sie angenommen, wie sie sind, finden Gesprächspartner, Freizeitangebote und wenn es sein muss auch ein Bett. Die Selbsthilfeorganisation versteht sich als Beratungs- und Anlaufstelle für psychisch Kranke und ihre Angehörigen. Hier bekommen sie eine erste Hilfe in Ausnahme-Situationen und Unterstützung nach stationären Aufenthalten. Der "Durchblick" will eine Brücke zurück ins normale Leben bauen. Der Film lässt Robert Weimann und Nora Müller ihre Sicht auf die erlebten Zwangsbehandlungen schildern und beschreibt das Dilemma, in dem Angehörige und Ärzte stecken. Er macht aber auch deutlich, wie wichtig Initiativen wie der "Durchblick e.V." sind.
Seltene Erkrankungen gehen meist auf Veränderungen von Genen zurück. Oft wirkt sich das kaum auf das Leben der Betroffenen aus, manchmal sind die Folgen erheblich und manchmal sogar tödlich. Beispiel dafür ist die Spinale Muskelatrophie, kurz SMA, die häufigste genetisch bedingte Todesursache bei Säuglingen - bis vor kurzem: Seit knapp zwei Jahren ist ein neuer Wirkstoff zugelassen, der betroffenen Kindern und auch Erwachsenen mit der Diagnose SMA erstmals tatsächlich helfen kann. Noch weiß keiner, wie sich die Gabe des Medikamentes auf Dauer auswirkt. Wie leben Menschen mit SMA heute und was können die neuen Therapien tatsächlich? Sind sie wirklich der erhoffte Durchbruch? Die jungen Patientinnen Clara und Emma und deren Eltern setzen große Hoffnungen in die neue Forschung.