Elegant, albern, komisch, kindlich und sensibel - an Adjektiven mangelt es nicht, um den Schauspieler Jean Rochefort (1930-2017) zu beschreiben. Mit seinem Schnauzbart und seinem verschmitzten Lächeln verkörperte er den Franzosen alter Schule, der sich selbst nicht zu ernst nimmt. Von seiner Kindheit und Jugend hat sich Jean Rochefort bis ins Alter eine gewisse Leichtigkeit bewahrt, obwohl diese Zeit ihre Schattenseiten hatte: Während der deutschen Besatzung ging Jean Rochefort auf die weiterführende Schule. Dort identifizierte er sich mit den älteren "Zazous", die amerikanischen Jazz und Swing hörten und sich mit ihren ausgefallenen Outfits gegen die Nazi-Kollaborateure des Vichy-Regimes auflehnten. Später studierte Jean Rochefort am Pariser Schauspielkonservatorium und freundete sich mit Jean-Paul Belmondo, Claude Rich und Jean-Pierre Marielle an, denen er ein Leben lang verbunden blieb. Den Abschluss am Konservatorium schaffte er nicht, aber die Begegnung mit Delphine Seyrig öffnete ihm die Tür zum Theater und schließlich zum Film. Der tiefen Melancholie, die ihn sein ganzes Leben lang begleitete, stellte er seinen Humor entgegen. Und er, der sich selbst als "hässliches Entlein" sah, wurde vom Komiker zu einem der größten Verführer des französischen Films. Im Laufe seiner langen Karriere wurde Rochefort drei Mal mit dem wichtigsten französischen Filmpreis César ausgezeichnet. Er erhielt ihn für seine Rollen in den Filmen "Wenn das Fest beginnt ..." von 1976 und "Die Schlemmer-Orgie" von 1978. Im Jahr 1999 erhielt er einen Ehren-César für sein Lebenswerk. Neben seinem Beruf und den Frauen hatte Rochefort eine dritte große Leidenschaft: Pferde. Diese Liebe entwickelte sich bei den Dreharbeiten zum Film "Cartouche, der Bandit" und nahm einen immer wichtigeren Platz in seinem Leben ein. ARTE zeigt das Porträt eines Mannes, der lange brauchte, bis er zu sich selbst stehen konnte und ein Leben lang nicht nur für künstlerische Abenteuer offen war.
Die Geschichte von TikTok ist zunächst die eines beeindruckenden Markterfolgs: Zhang Yiming, ein junger Vertreter der chinesischen Tech-Szene, schaffte es innerhalb weniger Jahre an die Weltspitze der sozialen Medien. 2012 gründete der Software-Ingenieur aus Peking sein Unternehmen ByteDance, das 2016 eine neue App auf den chinesischen Markt brachte: Douyin, eine Videoplattform mit revolutionärem Algorithmus. Ein Jahr später eroberte eine neue Version dieser App, TikTok, den Weltmarkt. Heute zählt sie rund 1,7 Milliarden Nutzerinnen und Nutzer, darunter 170 Millionen in den USA. Keinem anderen sozialen Netzwerk ist bislang ein derart rasanter Aufstieg gelungen. Neben dem unternehmerischen Erfolg zeichnet sich auch eine politische Entwicklung ab: Staatspräsident Xi Jinping will sein Land anstelle der USA zur Supermacht des 21. Jahrhunderts machen. 2015 übernimmt die Kommunistische Partei Chinas die Kontrolle über die chinesischen Technologieunternehmen. Seitdem sind die Firmen verpflichtet, mit der Regierung zu kooperieren und gesammelte Daten dem Nachrichtendienst zu überlassen. ByteDance - Zhang Yimings Firma, aus der Douyin und TikTok hervorgingen - ist für die politische Führung von besonderer Bedeutung. Wie nutzt das chinesische Regime ByteDance, um seine Macht zu festigen? Welche Rolle spielt TikTok in der chinesischen Expansionspolitik? Und wie reagiert Washington auf den Vormarsch der chinesischen App in sein bisheriges Hoheitsgebiet? Diesen Fragen geht der erste Teil der Dokumentation nach.
Der weltweite Erfolg von TikTok löste in den USA eine heftige Gegenreaktion aus und führte zu einem Ringen beider Länder um politischen Einfluss. Im Herbst 2019 hat die Videoplattform die Schwelle von einer Milliarde Downloads seit ihrer Gründung überschritten. Die US-Behörden leiteten daraufhin eine Überprüfung der chinesischen App auf Spionagerisiken und eine mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit ein. Tatsächlich hat sich TikTok seit seinen Anfängen stark verändert: Es ist heute ein echtes soziales Netzwerk und kann als Informations- und Desinformationsinstrument genutzt werden. Es ist kein Zufall, dass auf der Plattform kaum Videos über die systematische Unterdrückung der Uiguren in Nordwestchina oder über die Demokratiebewegung in Hongkong zu finden sind. In diesem Machtkampf stehen sich zwei digitale Systeme gegenüber. Das amerikanische Modell setzt vor allem auf den freien Markt, betont die Meinungs- und Redefreiheit und plädiert für möglichst wenig staatliche Einmischung. Das chinesische Modell hingegen nutzt die Technologie als Mittel zur politischen Kontrolle. Die Regierung ist hier die zentrale, richtungsweisende Instanz, die über die Regulierung des Technologiesektors verfügt. Diese beiden Systeme führen derzeit eine neue Form des Krieges, der sich zunehmend in der Öffentlichkeit abspielt, aber von der breiten Öffentlichkeit noch kaum wahrgenommen wird: den unerbittlichen Krieg um Daten.
Ein noch nie dagewesenes Verteidigungssystem, entworfen vor mehr als 2.000 Jahren, um jedem Angriff standzuhalten: die Chinesische Mauer. Die Regierung hat eine definitive Vermessung in Auftrag gegeben, um jeden Abschnitt der Mauer zu erfassen, gleich, aus welcher Epoche er stammt oder an welchem Ort er errichtet wurde. Die Dokumentation begleitet unterschiedliche Forscherteams, die sich mit dem Bauwerk befassen. Unter anderem in die Wüste Gobi, wo Archäologen Mauerteile aus Lehm und getrocknetem Schilf untersuchen. Hightech-Drohnen überfliegen die Mauer, um deren Verlauf per Luftbildvermessung aufzuzeichnen. Auf dieser Grundlage werden 3D-Modelle erstellt, die wertvolle Informationen für die Instandhaltung der Mauer liefern. Rechnet man alle Abschnitte zusammen, kommt man auf die eindrucksvolle Länge von insgesamt 21.000 Kilometern. Und würde man alle Mauerteile aus den verschiedenen Epochen aneinanderreihen, hätte das Bauwerk eine Länge, die vom Nord- bis zum Südpol reicht. Übermenschliche Kräfte waren nötig, um diese gigantische Umfriedung zu errichten, die China vor den Feinden aus dem Norden beschützen sollte. ARTE zeigt, wie die Mauer von den verschiedenen Dynastien ausgebaut und vor 400 Jahren während der Ming-Dynastie vollendet wurde. Die "neue" Mauer, welche die Kaiser der Ming-Dynastie errichteten, bestand nicht mehr aus Lehm, sondern aus Ziegeln und Mörtel - und diese Bauweise prägt auch das Bild, das wir heute von ihr haben: eine ausgefeilte Struktur mit Wachtürmen und Befestigungen, die sich durch die Berge nördlich von Peking schlängelt. Die Dokumentation lässt unter anderem Guohua Xu zu Wort kommen, der im Auftrag der Regierung die Restaurierung eines Abschnitts der Ming-Mauer leitet. Er stammt aus einer Familie von Maurern, die seit 25 Generationen an der Chinesischen Mauer mitgebaut haben. Die Ziegelsteine für seine Restaurierungen stellt er mit traditionellen Techniken und in einem historischen Brennofen her, und auch sein Mörtel ist dem originalen Gemisch sehr nahe. Dessen Zusammensetzung wurde von Chemikern der Zhejiang-Universität analysiert, die herausfanden, dass er ein sagenhaftes Bindemittel enthält, die der Mauer ihre besondere Festigkeit verleiht. Nach dem Zweiten Weltkrieg schottete sich das kommunistische China von der Welt ab. Die Große Mauer wurde zum Sinnbild der Isolation. Ab den 70er Jahren begann China, sich dem Westen schrittweise wieder zu öffnen. Die Große Mauer wurde erneut zum Wahrzeichen für Chinas Stärke und Innovationskraft.
Wir Menschen sehen uns gerne als Krone der Schöpfung. Aber sind wir nicht eher eine - nun ja - Fehlkonstruktion? Je älter wir werden, desto "baufälliger" werden wir. Streng genommen beginnt dieser Verfall schon kurz nach der Pubertät. Sobald sich unser Körper voll entwickelt hat, beginnt der Abbau. Irgendwie deprimierend, oder? Aber was wäre, wenn wir diese Konstruktionsfehler einfach durch Technik beheben könnten? Es gibt kaum ein Handicap, für das wir keine technische Lösung haben: Brillen, Hörgeräte, Arm- und Beinprothesen sind ganz selbstverständlich. Aber geht da vielleicht noch mehr? Könnten wir uns technisch nicht noch viel besser machen, als wir es heute sind? Weltweit wird an Gehirnchips, smarten Prothesen und künstlichen Organen geforscht. Sie lassen Querschnittsgelähmte mit Gedankenkraft Schach spielen, Amputierte mit Sensoren im Arm fühlen und Herzpatienten mit Herzmuskelzellen aus dem Labor länger leben. Wäre es denkbar, dass eines Tages auch gesunde Menschen von solchen Technologien profitieren? Transhumanisten sprechen davon, dass wir irgendwann den Menschen durch Technik überwinden, sagt Technikphilosophin Janina Loh. Wollen wir das wirklich? Und wer kann sich solche Technologien leisten? Man stelle sich vor, Superreiche versuchten, nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Oberstübchen zu optimieren. Halb Mensch, halb Maschine. Entsteht am Ende eine "neue biologische Kaste"? Oder werden wir zu Supermenschen?
In Barcelona leben rund 1,7 Millionen Menschen. Die spanische Küstenstadt kämpft schon lange mit den Emissionen durch zu viel Verkehr. Angesichts des Klimawandels muss alles nachhaltiger werden. Eine Lösung liefert das Superblock-Modell von Salvador Rueda, Biologe und ehemaliger Direktor der Urban Ecology Agency of Barcelona: Ganze Areale werden für den Durchgangsverkehr gesperrt und den Anwohnern als Freiflächen zurückgegeben. Anfangs gab es Proteste, doch mittlerweile ist die Akzeptanz angesichts wachsender Lebensqualität groß. Das Konzept optimiert die Stadtplanung durch das Prinzip orthogonaler Netze. Dadurch werden sowohl der Autoverkehr als auch der öffentliche Nahverkehr effizienter und Fuß- und Radverkehr gefördert. Auch Paris kämpft mit Verkehrsemissionen. Die französische Hauptstadt ist die am dichtesten besiedelte Millionenstadt Europas, hat aber noch ein spezielles Problem: viel zu wenig Grünfläche pro Anwohner. Bürgermeisterin Anne Hidalgo setzt auf nachhaltige Stadtplanung. Die Verwandlung der Georges-Pompidou-Schnellstraße im Zentrum in eine Flaniermeile war der Auftakt. Weitere Maßnahmen umfassen Tempo 30 für Autos und den Ausbau des Radverkehrs. Zudem sollen 300 Hektar neue Grünflächen und 120.000 Bäume Paris an den Klimawandel anpassen. Über den historischen Zinkdächern der Stadt sollen Plattformen mit Pflanzen zur Kühlung entstehen. Die Gebäude drohen sich ansonsten bis zur Unbewohnbarkeit aufzuheizen. Mutige Entscheidungen und smarte Ideen bieten in beiden Städten Chancen, für mehr nachhaltige Lebensqualität, wie die Dokumentation präsentiert.
Anlässlich des 130-jährigen Jubiläums der Biennale zeichnet die Dokumentation nach, wie die Biennale von Venedig seit ihrer Gründung 1895 zur mächtigsten Institution der internationalen Kunstwelt avancierte, welche Akteure an ihrem Erfolg beteiligt waren und immer noch sind. Dabei geht es auch um die Frage, ob ihre Machtstrukturen noch zeitgemäß sind. Die Dokumentation blickt hinter die Kulissen und in die Geschichte der Biennale: Gegründet vom italienischen König, beäugt vom Vatikan, vereinnahmt von Benito Mussolini und dem Faschismus, bekämpft von den Studentenunruhen 1968, wiederauferstanden durch die Selbstermächtigung der Künstlerinnen und Künstler. Heute wird sie von einem internationalen Kuratorenteam geleitet, von Galeristinnen und Galeristen aus der ganzen Welt finanziert. Sammlerinnen lassen sich von unbekannten Künstlern inspirieren und geben ihnen in Venedig eine Bühne, um sie der interessierten Öffentlichkeit näherzubringen. In der Gegenwart begleitet die Dokumentation Kunstschaffende wie Julien Creuzet und den Maler Walton Ford bei ihren Vorbereitungen in der Lagune, während aus der Vergangenheit die Geschichten der Sammlerin Peggy Guggenheim oder der Künstler Robert Rauschenberg, Nicolás García Uriburu und Joseph Beuys erzählt werden.
Vulkane stehen für Zerstörung und Verwüstung: Sie speien Feuer und verwandeln ihre Umgebung in Mondlandschaften und Aschewüsten. Dennoch leben viele Millionen Menschen in aller Welt auf diesen tickenden Zeitbomben. Was macht die Feuerspucker so anziehend? Sicher nicht zuletzt die Tatsache, dass sie einen unerschöpflichen Ressourcensegen bedeuten: Auf allen fünf Kontinenten schenken Vulkane den Menschen unschätzbare Schätze: Sie sorgen in Japan für fruchtbare Böden, dienen auf Sizilien als Wasserreservoir, ermöglichen die Schwefelgewinnung in Indonesien und liefern in Neuseeland saubere und erneuerbare Energie. Jedoch müssen sämtliche dieser Reichtümer mühsam erkämpft werden - und das erfordert Tapferkeit, Hingabe und Entbehrung.
Seit Millionen von Jahren reißen Vulkane die Erde auf, setzen Kontinente in Brand und überziehen ganze Landstriche mit einem Ascheteppich. 700 Millionen Menschen in aller Welt sind heute durch die Aktivität der Feuerberge bedroht und führen einen endlosen Kampf gegen die entfesselten Elemente. Lavaströme in Italien, glühende Aschelawinen in Japan, Schlammeruptionen in Island, Tsunamis auf Hawaii und verseuchte Böden in Indonesien ... überall auf der Welt gleicht das Leben im Schatten von Vulkanen einer nie endenden Prüfung. Dennoch trotzen allerorts unbeugsame Männer und Frauen den entfesselten Elementen. Mit Mut, Einfallsreichtum und Solidarität bieten sie den gefährlichen Giganten die Stirn.
Es ist eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Expeditionen des 21. Jahrhunderts. Nach sechs Jahren Vorbereitung geht ein internationales Team aus acht Nationen an Bord des Forschungsschiffes JOIDES Resolution. Ihr Ziel: einer der explosivsten Vulkane der Welt - die griechische Insel Santorini. Die Expedition IODP 398 soll die Eruptionsgeschichte des Vulkans erstmals unter Wasser untersuchen. Kilometerlange Bohrkerne aus dem Herzen der Caldera sollen Aufschluss über das Alter des Vulkans und sein Verhalten geben. Vor rund 3.600 Jahren zerriss eine Eruption, größer als die von Pompeji, die Insel und überzog das östliche Mittelmeer mit einer dicken Ascheschicht. Ist es möglich, dass dieser Ausbruch das Ende der Minoer einläutete, der ersten Hochkultur Europas? Archäologen erkunden antike Stätten in der Ägäis und finden neue Hinweise auf das Ausmaß der Zerstörung. Ein spektakulärer Fund an der türkischen Küste zeigt, wie weitreichend die Folgen des Vulkanausbruchs waren - selbst weit entfernte Regionen blieben nicht verschont. An Land haben Wind und Wetter im Laufe der Jahrtausende viele Spuren verwischt. Deshalb hoffen die Wissenschaftler, durch Bohrungen im Meeresboden neue Erkenntnisse über das komplexe Verhalten des Vulkans zu gewinnen. Ziel der Expedition ist es, die vulkanische Geschichte Santorinis zu entschlüsseln und fundierte Prognosen für die Zukunft dieses beliebten Reiseziels im Mittelmeer zu erstellen. Es ist das erste Mal, dass die Geschichte eines Vulkans in solcher Detailfülle untersucht wird. Die Ergebnisse geben neue Einblicke in das Verhalten von Vulkanen - weltweit.
In einem Altersheim wird ein Interview geführt. Der Interviewte beginnt seinen Bericht bedächtig: "Vor 111 Jahren, als ich zehn Jahre alt war ..." Jack Crabb, 121-jähriger Veteran der sogenannten Indianerkriege und der Schlacht am Little Big Horn, erzählt aus seinem Leben. Seine Eltern werden bei einem Überfall durch amerikanische Ureinwohner getötet; er wächst bei den Cheyenne unter der Obhut des Häuptlings Old Lodge Skins auf und erhält von den Indigenen den Namen Little Big Man. Bei einem Überfall der US-Kavallerie gibt er sich - nunmehr ein junger Mann - in aussichtsloser Lage als Weißer zu erkennen und gerät so unter die Fittiche der ebenso streng religiösen wie lüsternen Mrs. Pendrake, die ihrem Ziehsohn bald noch andere als mütterliche Gefühle entgegenbringt. Der irritierte Jack reißt aus und beginnt eine abenteuerliche Odyssee durch den Wilden Westen. Er wird Gehilfe des betrügerischen Medizinverkäufers Allardyce T. Merriweather. Als geprellte Käufer ihrem Unmut Luft machen und handgreiflich werden, sucht er das Weite und trifft auf seine Schwester, die ihn im Schießen unterweist und ihm so eine kurze Karriere als Revolverheld ermöglicht. Dann beschließt Crabb, bürgerlich zu werden, heiratet die Schwedin Olga und wird Kaufmann. Doch seine Frau wird von Indigenen geraubt, und sein Geschäft geht pleite. Auf der Suche nach Olga gerät er wieder zu den Cheyenne, wo er die schöne Sunshine zur Frau nimmt. Fast scheint es, als würde er zur Ruhe kommen. Doch Sunshine wird bei einem Überfall von den Truppen des General Custer ermordet. Crabb beschließt nun, Custer zu töten ...
Spontan, emotional und ungegenständlich: Im Mai 1951 findet in einem leerstehenden Gebäude in der 9th Street in New York eine Gruppenausstellung statt, bei der neben Werken von Jackson Pollock (1912-1956) und Willem de Kooning (1904-1997), auch Bilder von Lee Krasner (1908-1984), Joan Mitchell (1925-1992) und Helen Frankenthaler (1928-2011) gezeigt werden. Die Ausstellung "9th Street Show" macht die Bewegung des Abstrakten Expressionismus mit einem Schlag bekannt. Doch obwohl die drei Künstlerinnen ähnliche Ansätze verfolgen wie ihre männlichen Kollegen und Ausstellungserfolge erzielen, werden sie lange Zeit von der Kunstgeschichte ignoriert. "Verstoße gegen die Regeln oder ignoriere sie" - das ist das künstlerische Credo von Helen Frankenthaler. Keine der drei Frauen hätte sich je als "weibliche Malerin" bezeichnet. In der Abstraktion fanden sie eine Sprache, die Geschlechterkategorien überwindet. "Sie rebellierten nicht gegen die Regeln einer Gesellschaft, die sie marginalisierte. Sie erkannten sie schlicht nicht an", schreibt die US-amerikanische Autorin Mary Gabriel in ihrem wegweisenden, 2019 erschienenem Buch "Ninth Street Women". Darin erzählt sie die Geschichte des Abstrakten Expressionismus, der ohne diese Malerinnen kaum existiert hätte. Auch im Film kommt sie zu Wort. Anlässlich der aktuellen Helen-Frankenthaler-Ausstellung, die das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden vom 16. März bis 28. September 2025 zeigt, präsentiert die Kulturdokumentation den Abstrakten Expressionismus aus der Perspektive des künstlerischen Werks von Frankenthaler, Krasner und Mitchell.
Bei den Salzburger Festspielen sind die Vormittagskonzerte des Mozarteumorchesters mit Mozart-Programmen sehr beliebt. Sie finden regelmäßig im goldenen Großen Saal des Mozarteums statt und präsentieren spannende Persönlichkeiten am Pult und Weltstars der klassischen Musik. Keine Termine sind so schnell ausverkauft, wie für dieses Programm. Die 1996 in Wisconsin geborene US-Sopranistin Emily Pogorelc hat schon oft Mozart-Rollen verkörpert: Allein in der Spielzeit im Jahr 2024 gab sie die Pamina aus der "Zauberflöte" und Ilia aus "Idomeneo" an der Bayerischen Staatsoper und die Servilia in "La Clemenza di Tito" an der Königlichen Oper Kopenhagen und beim Festival d'Aix-en-Provence. Das Jahr 2024 stellt ebenfalls ihr Debüt an der Metropolitan Opera in New York dar. Der spanische Dirigent Roberto González-Monjas, geboren 1988, ist Chefdirigent des Musikkollegiums Winterthur und des Orquestra Sinfónica de Galicia. Mit diesem Konzert kehrt er fest in die Stadt seines Violinstudiums zurück: Seit Beginn der Saison 2024/2025 ist er ebenfalls Chefdirigent des Mozarteumorchesters. Die Werke von Wolfgang Amadeus Mozart im Überblick: - Passepied - Mineur; Gavotte - Passacaille - Ballettmusik zur Oper "Idomeneo" KV 367 - Arie der Ilia "Se il padre perdei" aus "Idomeneo" KV 366 - Rezitativ und Arie der Ilia "Solitudini amiche" - "Zeffiretti lusinghieri" aus "Idomeneo" KV 366 - Schauspielmusik zu "Thamos, König in Ägypten" KV 345 (336a) - Auszüge - Arie "Schon lacht der holde Frühling" KV 580 - Arie "Voi avete un cor fedele" KV 217 - Rezitativ und Arie "Bella mia fiamma" - "Resta, o cara" für Sopran und Orchester KV 528
(1): Die Ölsardine (2): Die Lautmalerei (3): Der Auerochse (4): Das Rätsel
Im Westen der Balkanhalbinsel liegt Bosnien und Herzegowina. Sein nördlicher Teil ist geprägt vom Dinarischen Gebirge und Wildflüssen. In den fruchtbaren Tälern liegen Dörfer, deren Bewohner größtenteils noch von der Landwirtschaft leben. Ein mildes Kontinentalklima ermöglicht auch den Anbau der wärmeliebenden Okraschote. Das Strauchgemüse haben die Osmanen einst nach Bosnien gebracht. Seitdem sind die vitaminreichen Schoten fester Bestandteil der bosnischen Küche, werden aber meist aus der Türkei importiert. Erst seit kurzem wird die empfindliche Pflanze auch in Bosnien von einigen Landwirten angebaut. Biba Malcic ist eine von ihnen. In ihrem Garten wachsen fünf unterschiedliche Okrasorten, mit denen sie traditionelle Gerichte kocht, aber auch neue Rezepte kreiert. Okra, auch als Gemüse-Eibisch bekannt, gehört zur Familie der Malvengewächse, ist eine der ältesten Gemüsepflanzen und wurde bereits vor über 4.000 Jahren in Äthiopien kultiviert. In Bosnien werden Okras viel verwendet, frisch und getrocknet. Im Eintopf Begova Corba mit Gemüse und Fleisch ist das Okragemüse der Hauptbestandteil. Biba Malcic benutzt Okras für eine Gemüsemischung, aus der sie vegane Schnitzel macht. Außerdem bereitet die gelernte Chemikerin daraus eine Gesichtsmaske, die die Haut straffen soll.
Die auf vielen Sendern vorgenommene strikte Trennung von Politik- und Kulturnachrichten wird hier aufgehoben. Es werden Schnittpunkte aus beiden Bereichen präsentiert und Zusammenhänge dargestellt.
In den Weiten der Pampa von Uruguay behauptet sich Agustina Yañez in einer Männerdomäne. Seit Jahrhunderten sind es die Gauchos - Reiter und Viehhirten -, die hier das Landleben prägen. Doch Agustina trotzt den Traditionen. Auf ihrem Hof in Durazno betreut sie Rinder, Schafe und Pferde, erzieht ihren Sohn und tut all das, was hier traditionell nur männliche Landwirte machen. Vor zwei Jahren pachtete sie gemeinsam mit ihrem Mann Julio eine Ranch, 200 Kilometer nördlich von Montevideo. Für eigenes Land fehlt ihnen das Geld. Agustinas Traum ist es, irgendwann einen eigenen Hof mit eigenem Vieh zu besitzen und als Pferdetrainerin anerkannt zu werden. Denn auch das ist in Uruguay seit jeher Männersache. Unbeirrbar geht Agustina ihren Weg. Mit Entschlossenheit, Hingabe und einer tiefen Verbindung zur Natur kämpft sie für ihren Platz in der Welt der Gauchos. Neben harter Arbeit auf dem Hof ist sie auf Criollas aktiv - jenen legendären Reiterfesten, auf denen sich Reiter bei Rodeos in Mut und Geschicklichkeit messen. Die Dokumentation folgt Agustina durch ihren Tag, begleitet sie bei der Arbeit mit den Tieren, der Erziehung ihres Sohnes Tito und der Umsetzung ihres Traums: als Pferdetrainerin anerkannt zu werden. Trotz Unsicherheiten und sozialer Hürden hält sie an ihrer Vision fest - selbstbewusst, leidenschaftlich und unermüdlich. Ein Film, der das südamerikanische Landleben aus der Perspektive einer außergewöhnlichen Frau beleuchtet. Eine ARTE-Produktion über Tradition, Wandel und den unbeugsamen Willen einer Gaucha.
Seit dem Tod seines Vaters ist Ben das Familienoberhaupt der Zacharys, einer amerikanischen Farmerfamilie. Er hängt an seiner kleinen Schwester Rachel, dem einzigen Mädchen auf der Ranch. Zeb Rawlins, ein Geschäftspartner der Zacharys, hätte Rachel gern zur Schwiegertochter, aber Ben zögert, einer Heirat zuzustimmen. Als sich herausstellt, dass Rachel nicht blutsverwandt mit Ben ist, sondern ein indigenes Findelkind, wenden sich die Nachbarn abrupt von der Familie Zachary ab. Selbst Bens jüngerer Bruder Cash will nichts mehr von Rachel wissen und verlässt die Farm. Ben kann Rachel dagegen endlich seine Liebe gestehen. Er versichert ihr, sie auf keinen Fall dem Stamm der Kiowa auszuliefern, als diese die Ranch angreifen ... John Huston inszeniert die Eskalation als Tragödie ohne Sieger: Die Schlachtszenen, gedreht in den kargen Landschaften Mexikos, kontrastieren Hollywood-Pathos mit dokumentarischer Härte. Audrey Hepburn, die in ihrer Rolle zwischen zerbrechlicher Verzweiflung und stoischem Trotz pendelt, trägt den Film ebenso wie die vibrierende Dynamik mit Burt Lancaster. Ein Film, der die Mythen des Wilden Westens entzaubert und stattdessen die toxische Mischung aus Rassismus, Patriarchat und kolonialer Gewalt seziert.
Scharfsinnig, witzig, willensstark - und talentiert: Katharine Hepburn, geboren am 12. Mai 1907, wurde nicht nur zu einem der größten Stars Hollywoods, sondern auch zu einer Ikone weiblicher Unabhängigkeit. Sie war das zweite von sechs Kindern eines progressiven Elternpaares, das seinen Kindern viele Freiheiten ließ. So lernte Katharine Hepburn früh, ihren eigenen Weg zu gehen und sich durchzusetzen. 1932 wählte sie der Regisseur George Cukor für die Hauptrolle in seinem Film "Eine Scheidung" aus - der Beginn einer langen und erfolgreichen Filmkarriere. Und der Beginn einer Zusammenarbeit, aus der zahlreiche Filme hervorgingen, darunter ihr kommerziell erfolgreichster Film "Vier Schwestern" (1933) sowie "Sylvia Scarlett" (1935), "Die Schwester der Braut" (1938), "Die Nacht vor der Hochzeit" (1940) und "Die ganze Wahrheit" (1942). Darüber hinaus arbeitete Miss Kate, wie sie genannt wurde, mit namhaften Regisseuren wie Howard Hawks, John Ford und John Huston ("African Queen", 1951) zusammen. Bei den Dreharbeiten zu "Die Frau, von der man spricht" (1942) lernte sie den Schauspieler Spencer Tracy kennen, mit dem sie fast 30 Jahre verbunden war - trotz seiner Ehe mit einer anderen Frau. Ihre Beziehung wurde nie offiziell gemacht, doch in Hollywood galt sie als offenes Geheimnis. Gemeinsam wurden sie zu einem der legendärsten Leinwandpaare der Filmgeschichte. Katharine Hepburns Weigerung, sich den damaligen Erwartungen der Filmbranche zu unterwerfen, machte sie zum Vorbild für Generationen von Schauspielerinnen. Für ihre schauspielerischen Leistungen wurde sie im Laufe ihres Lebens mit vier Oscars ausgezeichnet. Sie starb am 29. Juni 2003.
Im Rahmen des von den Nationalsozialisten propagandistisch genutzten "Jüdischen Kulturbundes" konnten bis 1938 mitten in Nazi-Deutschland einige jüdisch geführte Plattenfirmen weiterhin Musik von und mit jüdischen Künstlern produzieren, darunter die Label "Semer" und "Lukraphon". In der Reichspogromnacht im November 1938 wurden Label und Musik mitsamt ihren Originalmatrizen, Texten und Noten vollständig vernichtet. Zwei Musikenthusiasten ist es zu verdanken, dass diese verloren geglaubte Musik durch jahrelange Recherchearbeit teils wieder rekonstruiert werden konnte. Die Schellack-Platten der beiden Labels sind eine Fundgrube der besonderen Art: Damals, im politisch brisanten Berliner Klima der 1930er Jahre, offenbarten sie ohne Scheu die widersprüchlichen Seiten jüdischer Identität. Nach dem Verbot jüdischer Künstler 1933 wurden die Labels zu einem Zufluchtsort für Musiker und Kabarettisten, denen die Auftrittsmöglichkeiten in Deutschland genommen wurden. Mit Schellackplatten, die aus den entlegensten Winkeln der Welt zusammengetragen wurden, und der neu arrangierten Musik des international hochkarätig besetzten Semer Ensembles um den amerikanisch-jüdischen Musiker Alan Bern erzählt die Dokumentation die unglaubliche Geschichte der beiden jüdischen Plattenfirmen, vom Schicksal ihrer Interpreten und von einer Musik, die bis heute nichts von ihrer Aktualität und Brisanz verloren hat.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf dem alten Grundriss der Kreuzkirche ein völlig neues Gebäude errichtet. "Genauso ist Requiem A auf einem alten Grundriss entstanden. Kyrie und Agnus sind die alten Baudenkmäler ... manche Stücke wie das Sanctus sind durch neue Texte von mir ergänzt ... Mein Requiem ist aufgebaut wie eine zerstörte und teilweise wiedererrichtete Stadt", erklärt Sven Helbig. Helbig gehört zu einer jungen Komponistengeneration, für die die Grenzen zwischen klassischer Orchesterwelt, experimenteller Kunst und Popmusik nicht mehr existieren. Sein neues Werk "Requiem A" eröffnet vielfältige Assoziationen. Zunächst steht das "A" symbolisch für den Anfang und mahnt in poetischen Bildern zu Versöhnung und Neubeginn. Aufbruch, Asche und Atmen sind Schlüsselbegriffe des Requiems, die, verwoben mit liturgischen Worten, das unbedingte Streben nach Frieden transportieren. "Ich habe mich entschlossen, nicht den Krieg zu thematisieren. Krieg entwickelt sich aus irgendeiner Art schwelender Verletzung. Vergebung ist ein großes Wort, aber der einzige Schlüssel damit umzugehen und einen neuen Anfang zu finden", sagt Helbig. Das Requiem hat neun Teile. In einem Interview sagte der Dresdner Komponist über die Formensprache seines Werkes: "Die Zahl 9 steht in der spirituellen Welt für Neubeginn, für Vollendung, Humanität und Universalität." Nach der Uraufführung reist Helbig mit dem "Requiem A" nach Dänemark, Frankreich und in die Schweiz, um mit diesen Konzerten ein Zeichen für den europäischen Friedensprozess zu setzen und eine Botschaft des Miteinanders zu senden.
1942 gerät der belgische Rabbinersohn Gilles im besetzten Frankreich in die Fänge eines SS-Erschießungskommandos, kann sich aber dank eines zuvor durch Tausch erworbenen Märchenbuchs als Perser ausgeben und retten. Denn der auswanderungswillige Kommandant eines nahe gelegenen Lagers, Klaus Koch, möchte die persische Sprache Farsi lernen, weshalb er dem ihm überstellten Gilles befiehlt, ihn in seiner vermeintlichen Muttersprache zu unterrichten. Des Persischen nicht mächtig sieht sich Gilles gezwungen, eine Fantasiesprache zu entwickeln. Die Wahrung seiner falschen Identität gerät für Gilles nicht nur durch seine steigende Arbeitslast und die zunehmend komplexer werdende Sprachschöpfung in Gefahr, sondern überdies durch den von Beginn an misstrauischen Rottenführer Max Beyer und die durch die Beförderung von Gilles degradierte Elsa Strumpf. Auf dünnem Eis versucht Gilles, sich durchzumogeln und zu überleben. Ähnlich wie Roberto Benignis "Das Leben ist schön" (1997) nähert sich "Persischstunden" mit einer eigenwilligen Mischung aus berührendem Drama und Momenten ins Groteske reichender (Situations-) Komik seinem herausfordernden Handlungsort eines nationalsozialistischen Lagers. Auf eindrückliche Weise setzt sich Perelmans Film mit dem Erinnern auseinander, insbesondere in seinem bewegenden Ende, und mit dem menschlichen Überlebenswillen.
In Ecuador befinden sich über hundert Vulkane, einer von ihnen ist der explosive Tungurahua. 2006 begrub er einen Teil des Dorfes Palictahua unter einer glühenden Aschewalze. Die Einwohner sind durch die Hölle gegangen, unter ihnen Jorge Totoy: Mitten in der Nacht mussten sie evakuiert werden, doch die Eruption nahm trotz aller Maßnahmen sechs Personen das Leben. Aber die Dorfbewohner lassen sich nicht vertreiben, denn sie lieben ihr Land. Um dem feuerspeienden Riesen etwas entgegensetzen zu können, wird er Tag und Nacht durch ein Netzwerk freiwilliger Wachtposten überwacht, die bei den geringsten Alarmzeichen die zuständigen Behörden informieren. Damit es nicht wie nach der letzten Eruption zu einer Nahrungsmittelknappheit kommt, haben die Bewohner zudem eine von den Inka überlieferte Tradition wiederbelebt: Ein paar Kilometer vom Dorf entfernt bewirtschaften sie gemeinsam ein Stück Land, auf dem Grundnahrungsmittel für alle angebaut werden. Die Nutzfläche liegt weit genug vom Krater entfernt, um von den pyroklastischen Strömen verschont zu bleiben, aber nah genug, um von der mineralreichen Vulkanasche zu profitieren. Auch eine andere Tradition soll nun wiederbelebt werden: Hernan Molina will an den Hängen des Vulkans das Thermalbaden in freier Natur wieder ermöglichen, und das, obwohl das Bad in der Gefahrenzone liegt, etwa zwei Kilometer vom Krater entfernt. Doch als Arnaud zusammen mit Hernan das warme Nass genießt, versteht er dessen Anliegen, im Herzen des Vulkans zu baden. Am Fuße des Tungurahua werden die unbeugsamen Menschen niemals aufgeben, sondern der Bedrohung des Glutriesen durch ihren Zusammenhalt und ihren Glauben trotzen.
Wir hören rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag gelangen in unser Ohr Geräusche und Klänge. Wir können bis zu 20 Signale pro Sekunde unterscheiden und etwa 400.000 Töne erkennen. Damit wir überhaupt etwas hören können, braucht es Luft. Denn all die Geräusche und Klänge sind Schwingungen, die durch die Luft übertragen werden. Um sie zu unterscheiden, brauchen wir erst einmal die kleinsten Knochen unseres Körpers: Hammer, Amboss und Steigbügel im Mittelohr, die Verstärker des Hörsinns. Sie geben die Schwingungen ans Innenohr weiter, wo diese in elektrische Impulse umgewandelt und über den Hörnerv ans Gehirn geschickt werden - an den Ort, wo sich entscheidet, was genau wir hören und wie wir es hören. Unser Gehirn schafft es zum Beispiel spielend, das sogenannte Cocktailproblem der Neurowissenschaft zu lösen. So können wir mitten im Geräuschechaos einer Party aus Musik, Stimmengewirr und Gläserklirren plötzlich ein bestimmtes Wort oder einen ganzen Satz heraushören. Weil unser Gehirn davon ausgeht, dass genau dieses Wort, genau dieser Satz wichtig für uns ist. Permanent spielt es Wahrscheinlichkeiten durch, was die Ursache für ein Geräusch sein könnte, um jedem Geräusch, jedem Klang einen Sinn zu geben. Dabei spielen all unsere Erinnerungen, Erfahrungen und Erwartungen eine Rolle, die wir in unserem Leben gesammelt haben. Wir hören also nicht alle das Gleiche - und wir hören es auch nicht alle gleich.
Es gibt Lieder, die sehr gute Laune machen und andere, die die Zuhörerinnen und Zuhörer in tiefe Melancholie versetzen - und es gibt Ohrwürmer, die sich so fest im Gehirn verankern, dass man sie stundenlang nicht mehr loswird. Aber warum ist dem so? Sind persönliche Vorlieben ausschlaggebend oder gibt es gar eine Rezeptur für den perfekten Song? Die Neurowissenschaftlerin Daniela Sammler erklärt, dass der Mensch beim Hören von Musik ähnliche Höhepunkte wie beim Geschlechtsverkehr oder Drogenkonsum empfinden kann. Denn Musik kann im Gehirn biochemische Prozesse auslösen und damit Herzschlag, Blutdruck, Atemfrequenz und Hormonhaushalt verändern. Was muss ein Song mitbringen, damit er solch eine Reaktion auslöst? David Stammer von der Popakademie Baden-Württemberg analysiert das Streaminggeschäft von Plattformen wie Spotify. Er stellt fest, dass populäre Songs immer kürzer werden und dass der Gesang immer früher einsetzt. Denn ein Lied muss die Hörerschaft sofort ergreifen. Doch das allein reicht nicht aus, um den Erfolg von Superhits zu erklären. Auch die Sozialisierung beeinflusst die Vorliebe für bestimmte Musik, erklärt der Musikwissenschaftler Volkmar Kramarz. Ein Song muss den Zeitgeist treffen und die Gefühle der Menschen an einem ganz bestimmten Augenblick widerspiegeln. Außerdem liefert Kramarz ein besonders spannendes Indiz für das perfekte Lied: Es gibt eine bestimmte Akkordfolge, die vielen der erfolgreichsten Hits gemein ist. Wie sieht diese "Pop-Formel" aus?