16:30
Kindheit als eigenständige Lebensphase ist eine verhältnismäßig junge Errungenschaft. Jahrhundertelang wurden Kinder als kleine Erwachsene betrachtet, ohne eigene Bedürfnisse oder Rechte auf Schutz und freie Entwicklung. Die Dokumentation zeigt anhand von Kinderporträts aus mehreren Jahrhunderten, wie sich das Verständnis von Kindheit grundlegend gewandelt hat. Es beginnt mit dem 17. Jahrhundert, als Kinderdarstellungen über das religiöse Motiv von Jesus als Kind hinausgingen. In den Niederlanden inszenierten finanzstarke Bürgerfamilien ihren Nachwuchs repräsentativ, aber noch als kleine Erwachsene mit ähnlichen Gesichtszügen und Kleidung wie ihre Eltern. Mit der Aufklärung änderte sich der Blick auf Kinder grundsätzlich. Philosophen wie John Locke und Jean-Jacques Rousseau erkannten Kinder als Individuen mit eigenen Bedürfnissen an - und beeinflussten damit auch die Kunstgeschichte. Maler wie Thomas Gainsborough zeigten Kinder nun in natürlicher Umgebung beim Spiel. Das 19. Jahrhundert brachte weitere Differenzierungen: Während Romantiker wie Philipp Otto Runge idealisierte Kinderwelten schufen, zeigten andere auch die prekäre Realität armer Kinder. Mit der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert etablierte sich ein neues Medium zur Abbildung von Kindern. Die Dokumentation zeigt, wie Kinderbildnisse gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln. Und dass sich die Entwicklung der Kindheit nicht verstehen lässt ohne einen Blick in die Kunstgeschichte.
17:20
Der Film "Musik auf Schloss Fontainebleau" wirft einen faszinierenden Blick auf die oft vergessenen Protagonistinnen der französischen Hofkultur: Königinnen, einflussreiche Mätressen und künstlerisch tätige Frauen, die die Musikgeschichte des Schlosses und ihrer Zeit entscheidend mitgestalteten. Im 18. Jahrhundert, zur Zeit der Aufklärung, gelang es einigen von ihnen, sich aus den engen Rollenbildern zu lösen und die Künste - besonders die Musik - für sich zu reklamieren. Gebildet, oft selbst musikalisch begabt, setzten sie als frühe Influencerinnen ihre künstlerischen Visionen mit Mut und strategischem Geschick durch. Sie brachen mit starren Hofkonventionen, förderten avantgardistische Strömungen und hinterließen so bleibende Spuren in der französischen Musikgeschichte - wie der Film anhand historischer Quellen eindrucksvoll zeigt. Für die Dokumentation bringen die Musiker Werke von Jean-Baptiste Lully, Jean-Philippe Rameau, Christoph Willibald Gluck, Antonio Sacchini und Gaspare Spontini an den Originalschauplätzen des Schlosses Fontainebleau zum Klingen - unter anderem im prunkvollen Kaiserlichen Theater, das bisher noch nie für musikalische Filmaufnahmen genutzt wurde.
18:25
Ein künstlerisches und humorvolles Spiel mit Klischees bietet dieses Magazin. In jeder Folge werden dabei bestimmte Eigenheiten der Franzosen und Deutschen unter die Lupe und auch aufs Korn genommen.
18:40
Anna und Óli Rubeksen kochen aus Leidenschaft. Die Nebenerwerbslandwirte nutzen, was ihnen die karge Vegetation der Heimat auf den Färöer-Inseln bietet. Vor allem Rhabarber entpuppt sich in ihrer Küche als äußerst vielseitiges Gemüse, das nicht nur als Dessert dient. Das Paar verbindet die traditionelle Küche der Inseln im Nordatlantik mit modernen Einflüssen und schafft ganz neue Kreationen. Fisch und Lamm, klassische Bestandteile der Inselküche, gehen bei Anna und Óli überraschende und köstliche Verbindungen mit dem Rhabarber ein: Herzhaftem Salat, einem scharfen Chutney und der bei Niedrigtemperatur im Boden gegarten Lammkeule verleiht das Gemüse seine besondere Note. Ganz klassisch als Kompott kommt der Rhabarber mit Haselnussbaiser und Rahm daher - ein Dessert, das süße und saure Geschmacksnoten vereint.
19:10
Die auf vielen Sendern vorgenommene strikte Trennung von Politik- und Kulturnachrichten wird hier aufgehoben. Es werden Schnittpunkte aus beiden Bereichen präsentiert und Zusammenhänge dargestellt.
19:30
Ali Alijaj ist nach vielen Jahren in Deutschland in den Kosovo zurückgekehrt und hat seine Brennerei "Vidasus" gegründet. Zwischen Kupferkesseln und duftenden Kräutern destilliert er Früchte und Beeren aus den albanischen Alpen zu außergewöhnlichen Spirituosen. "Wir haben guten Boden und genug Wasser", sagt Ali. "Uns fehlt nur noch ein kleiner Anstoß, damit der Motor anspringt." Für ihn ist das Brennen weit mehr als Handwerk - es ist ein Zeichen dafür, dass Zukunft hier möglich ist, ohne die Heimat verlassen zu müssen. Sein Traum: die höchste Destillerie des Balkans zu eröffnen. Brikena Gashi ließ sich von ihm inspirieren. Sie hat die verlassenen Weinberge ihrer Familie in Drenoc wiederbelebt, einem der traditionellen Weinanbaugebiete des Kosovos, und stellt als erste Frau des Landes ihren eigenen Weinbrand her. "Für mich ist das nicht nur ein Weinberg", sagt sie, "sondern eine Arbeit, die Frauen Mut macht, etwas zu tun, was lange nur Männern vorbehalten war." Jetzt plant sie ein Musikfestival zwischen ihren Reben, um ihr Dorf mit neuem Leben zu füllen. Zwischen alten Steinkullas, nebligen Bergen und den vibrierenden Straßen von Prizren erzählt der Film von Menschen, die bleiben, zurückkehren und ihre Heimat mit neuem Leben erfüllen. "Kosovo: alte Kräuter, neuer Geist" zeigt die leise Revolution einer Generation, die das kleine Balkanland neu erfinden will - mit Leidenschaft, Geduld und einem Schuss Schnaps.
20:15
Profi-Betrüger Roy Waller leidet unter Zwangsstörungen, die er mit Tabletten bekämpft. Als er die eines Tages verliert, muss er zum Psychiater - was sein Leben auf den Kopf stellt. Bald nimmt Roy Kontakt zu seiner ihm bis dahin unbekannten 14-jährigen Tochter auf. Als er einen neuen Betrug vorbereitet, will das Mädchen unbedingt mitmachen ... Trickster-Komödie von Ridley Scott (2003). Roy Waller ist ein Profi-Schwindler, der sich mit seinem Partner Frank Mercer dank Telefonbetrugs ein scheinbar ruhiges Leben finanziert. Sein Alltag ist allerdings von schweren Zwangsstörungen geprägt, die er einigermaßen im Griff hat, wenn er rechtzeitig Tabletten dagegen einnimmt. Als ihm die eines Tages in den Abfluss fallen und er seinen Arzt nicht erreichen kann, sucht Roy zum ersten Mal einen Psychiater auf, Dr. Klein. Die Sitzungen, die Roy nun durchmachen muss, um das begehrte Pillenrezept zu bekommen, öffnen Türen zur Vergangenheit: So erzählt Roy, dass er vor 14 Jahren seine schwangere Frau verlassen hat und seitdem von ihrem gemeinsamen Kind nie mehr hörte. Auf Dr. Kleins Rat und mit seiner Hilfe nimmt Roy Kontakt zu seiner ihm völlig unbekannten Tochter Angela auf. Durch seine neue väterliche Verantwortung verschwinden nach und nach seine Symptome, und die 14-Jährige ist auch zufrieden mit diesem neuen Vater, der ihr zudem ein paar Tricks beibringt. Um seinen vernachlässigten Geschäftspartner Frank bei Laune zu halten, lässt sich Roy auf den größten Coup ihrer gemeinsamen Karriere ein: Ein gewissenloser Unternehmer soll um 80.000 US-Dollar betrogen werden. Tochter Angela will bei dem Plan unbedingt mitmachen, was der überforderte Roy schließlich zulässt ...
22:05
Nicolas Cage ist ein Schauspieler, der seine Kunst mit Leidenschaft und Intellekt lebt. Schon mit 15 Jahren begann er eine professionelle Ausbildung - seither erforscht er unermüdlich neue Ausdrucksformen und wagt sich immer wieder ins Ungewisse. Als kreatives, häufig unverstandenes Ausnahmetalent ging er in Hollywood große Risiken ein. In den 1990er Jahren zählte Cage zu den populärsten und bestbezahlten Stars der Branche. Mit "Leaving Las Vegas" (1995) gewann er den Oscar, in "Face/Off - Im Körper des Feindes" (1997) setzte er neue Maßstäbe im Actionkino, und in "Adaptation - Der Orchideen-Dieb" (2002) bewies er seine Vielschichtigkeit als Charakterdarsteller. Doch mit dem Wandel der Sehgewohnheiten verlor er abrupt an Ansehen - kaum ein anderer Schauspieler wurde je so öffentlich abgestraft. Nach einer längeren Durststrecke feiert er seit einigen Jahren in bemerkenswerten Independent-Filmen wie "Mandy", "Massive Talent", "Pig" oder "The Surfer" erneut Achtungserfolge. Cage sieht Schauspiel nicht als Broterwerb, sondern als künstlerisches Abenteuer. Sein außergewöhnlicher Werdegang zeigt, dass dieser Beruf Mut verlangt: zum Experiment, zum Scheitern - und dazu, nicht jedem zu gefallen. Die ausschließlich aus Archivmaterial gestaltete Dokumentation "Nicolas Cage: Action, Absturz, Auferstehung" zeichnet das Porträt eines kompromisslosen Vollblut-Schauspielers.
23:00
"Misty - The Erroll Garner Story" erzählt die Geschichte des afroamerikanischen Jazz-Stars, der gleichermaßen ein weißes wie schwarzes Publikum erreichte und Schallplatten in Millionenauflage verkaufte. Garner (1921-1977) war ein Ausnahmetalent, ohne Klavierunterricht wurde er zu einem der größten Virtuosen auf dem Piano, als Jazzer bewundert - auch von klassischen Musikern wie Arthur Rubinstein oder Martha Argerich. Stets mit gegeltem Haar, einem Lächeln auf den Lippen, und geschützt von einer gewieften Managerin, wischte Garner Fragen nach Rassismus, dem Vietnamkrieg oder seiner Person mit einer eleganten Geste oder ad-hoc erfundenen Sprechgesang beiseite: Badeebeedoobee. Doch war dieser Mensch mit Bilderbuch-Karriere, dessen Hit "Misty" weltberühmt ist, wirklich mit sich im Reinen? Oder stimmt, was ein Mitmusiker sagt, dass in dem Schweiß, den Garner am Klavier vergoss, immer auch Tränen zu sehen waren? Visuell angelehnt an die berühmte Schwarz-Weiß-Fotografie des Jazz-Zeitalters nähert sich der Musikfilm seinem Thema: Wer war Erroll Garner? Fast ein halbes Jahrhundert nach dessen Tod begleitet die Kamera engste Weggefährten von einst durch ihre von meist von Freud, aber auch von Leid geprägten Erinnerungen: Mitmusiker, ein Bomberpilot des Vietnamkriegs, der sein Biograf werden sollte, seine letzte Liebe. Und seine Tochter, die nie verwunden hat, wie er sich ihr gegenüber verhalten hatte. Entstanden ist ein atmosphärisch dichter Jazz-Film voller großartiger Musik, der Vergangenheit und Gegenwart auf ungewöhnliche Weise miteinander verknüpft.
00:40
Seit ihrer Eröffnung am 14. Januar 2015 hat die Pariser Philharmonie ihren Ruf als Musiktempel, der in seinen heiligen Hallen renommierte Künstler und Orchester aus aller Welt empfängt, kontinuierlich ausgebaut. "ARTE Concert" durfte diesen Weg von Anfang an begleiten und ist auch dieses Mal wieder dabei, um ein Jahrzehnt voller außergewöhnlicher Konzerte gebührend zu feiern. Für dieses Konzert stehen nicht ein, sondern gleich zwei Ausnahme-Dirigenten am Dirigentenpult: Klaus Mäkelä und Gustavo Dudamel. Gesangliche Verstärkung erhält das Orchestre de Paris durch die Sopranistin Elsa Benoît und den Chor des Orchestre de Paris unter der Leitung von Richard Wilberforce. Gemeinsam interpretieren die Musiker ein Septett von Pierre Boulez, eines der brillantesten Stücke von Ludwig van Beethoven, das populäre "Gloria" von Francis Poulenc sowie ein von Maurice Ravel arrangiertes Meisterwerk von Modest Mussorgsky. Programm: Pierre Boulez - Initiale Ludwig van Beethoven - Die Weihe des Hauses (Ouvertüre) Francis Poulenc - Gloria Modest Mussorgsky, Maurice Ravel - Bilder einer Ausstellung
02:05
Alexander ist Single, trinkt und raucht viel, schraubt an Fahrrädern, kurz: ein Junggeselle ohne große Verpflichtungen. Eines Abends beobachtet er aus dem Fenster eine junge Frau im Nebenhaus beim Tanzen. Alexander ist verzaubert und folgt ihr am nächsten Tag. Es stellt sich heraus, dass die junge Frau, Paula, im Varietétheater auftritt. Nach der Vorführung lernen sich die beiden kennen und verbringen die Nacht zusammen. Während Alexander meint, sich verliebt zu haben, ist Paula am nächsten Morgen abweisend und vertreibt ihn aus ihrer Wohnung. Nach diesem Treffen hört und sieht Alexander nichts mehr von ihr. Wie auch, sie ist bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Als Alexander dies erfährt, ist er zutiefst erschüttert und besucht ihr Grab. Dort trifft er auf Paulas Schwester Marlene. Zu diesem Zeitpunkt sind Alexanders Traumvorstellungen von Paula längst zur Obsession geworden. Nun lernt er über die lebendige Schwester Marlene seine tote vermeintliche Geliebte erst kennen: Marlene, die das Gegenteil von Paula zu sein scheint, stört Alexanders Projektionen und Imaginationen. Über die gemeinsame Trauer kommen sich die beiden immer näher. Doch was passiert wohl, wenn Marlene erfährt, dass Alexander Paula kaum kannte und sich eigentlich vollkommen übergriffig in die trauernde Familie einschleicht? Ein außergewöhnliches Debüt, gedreht in expressiven Nachtszenen - mit Aenne Schwarz als Projektionsfigur männlicher Sehnsüchte.
03:50
Die erste große Auswanderungswelle von Menschen, die entlang des Rheins lebten, begann im 17. Jahrhundert. Das Jahr 1618 markierte in Europa den Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Augustin Güntzer floh vor religiöser Verfolgung ins Schweizer Exil. Seine Berichte zeugen von Zwangsumsiedlungen während des Krieges. Franz Daniel Pastorius verließ 1683 Frankfurt am Main und gründete im Umland von Philadelphia die Siedlung Germantown. Pastorius blieb sich und seinen Überzeugungen treu und verfasste dort die erste Erklärung gegen die Sklaverei. Im Jahr 1709 erlebte Europa den kältesten Winter seit 500 Jahren. Mehrere Tausend Menschen zogen vom Rheinland bis nach London, wo sie im ersten Flüchtlingscamp Europas untergebracht wurden, bevor sie nach Amerika auswanderten. Unter ihnen befand sich die Familie Weiser, die mit 3.000 anderen "armen Pfälzern" auf dem neuen Kontinent landete und sich mit den Mohawks gegen die Engländer verbündete. Zur gleichen Zeit nutzten die Habsburger und Katharina die Große die Migrationsbereitschaft, um die neu eroberten Gebiete zu bevölkern. Magdalena Wagner brach von Bayern nach Temeschwar auf. Andreas Rennefeld ging mit zehntausend weiteren Migranten aus dem Heiligen Römischen Reich nach Neurussland im Süden der heutigen Ukraine. In ganz Europa kursierten Flugblätter, die die "Neue Welt" anpriesen. Regierungen und Reedereien engagierten Anwerber, die die Geschichten der Migranten beschönigten, um mehr Kandidaten für die Auswanderung zu gewinnen. Der aus Basel stammende Landwirt Johannes Tschudi wurde der erste Schleuser und schickte zahlreiche Menschen nach Amerika. Im Jahr 1754 befürchtete Benjamin Franklin angesichts des hohen Migrantenaufkommens eine Germanisierung Amerikas.