19:40
George Tatirayi erinnert sich gut an die Zeit, als er es als junger Friseur schwer hatte. Frauen gingen lieber zu anderen Frauen, um sich die Haare machen zu lassen - und Männern war es ohnehin höchst suspekt, wenn ein anderer Mann den Kopf ihrer Partnerinnen berührte. Diese Zeiten sind noch nicht lange vorbei, doch inzwischen hat sich viel verändert. In den Straßen von Harare, der Hauptstadt Simbabwes, gibt es immer mehr männliche Friseure. Die Toleranz der Kundschaft ihnen gegenüber ist gestiegen - viele Frauen glauben sogar, dass Männer die besseren Friseure sind. Was für sie wie ein Segen erscheint, empfinden manche alteingesessene Friseurinnen als Problem. So auch Sandra Ciatsi. In ihrer Familie wird das Friseurhandwerk seit Generationen ausgeübt - es ist Sandras Leben und ihre Leidenschaft. Inzwischen betreibt jedoch Rasta Jabu mit seinen Kollegen einen ähnlichen Salon, nur wenige Hundert Meter weiter die Straße hinunter. Auf lange Sicht glaubt Sandra nicht daran, dass sich Männer in diesem Geschäft durchsetzen können. Sie hält deren Stil für zu eindimensional - ihr Auftreten für zu aggressiv. Hoffnung schöpft sie auch daraus, dass die traditionellen Friseurschulen weiterhin mehr Frauen als Männer ausbilden. Und doch spürt jeder in der Branche: Etwas ist im Umbruch. Wie tiefgreifend diese Veränderungen sein werden, zeigen die kommenden Jahre. Sandra fühlt sich gewappnet. Dass auch ihr direkter Konkurrent Jabu sich selbst als bestens gerüstet sieht, beunruhigt sie nicht. Behauptet sie zumindest ...
20:15
Alfred Nobel war nicht nur ein brillanter Chemiker und Erfinder, sondern auch ein erfolgshungriger schwedischer Unternehmer, der mehrere Sprachen beherrschte und die Literatur liebte. Durch die Erfindung des Dynamits und dessen Vermarktung hatte er ein kolossales Vermögen angehäuft. Bertha von Suttner war eine für ihre Zeit ungewöhnliche Frau: Die geborene Gräfin, Literatin und Aktivistin ist bekannt für ihre friedenspolitischen Schriften und die Organisation zahlreicher Friedenskonferenzen. Zwischen Bertha und Alfred entwickelte sich eine enge Freundschaft. Mehr als zwanzig Jahre lang standen sie in regelmäßigem Briefwechsel, eine Korrespondenz, die auch die politischen Wirren ihrer Zeit dokumentiert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, war die Lage in Europa höchst angespannt. Frankreich hatte das Elsass und Teile Lothringens an Deutschland verloren - eine bittere Niederlage. Zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland spitzte sich die wirtschaftliche Rivalität zu und das russische Reich fürchtete eine industrielle Vormachtstellung Deutschlands. Die Kolonialpolitik der europäischen Großmächte war ein erbitterter Wettlauf um die Ressourcen Afrikas. Trotz oder gerade wegen dieser beängstigenden Gemengelage bildeten sich Friedensbewegungen, um die Öffentlichkeit vor der dramatischen Gefahr eines europäischen Krieges zu warnen. Wer war Alfred Nobel, dieser ehrgeizige Mann, der den Entschluss traf, sein Vermögen in den Dienst der Menschheit zu stellen? War er wegen seiner Erfindung des Dynamits, der ultimativen Waffe der damaligen Zeit - von Schuldgefühlen geplagt? Welchen Einfluss hatte Bertha von Suttner als Galionsfigur des Pazifismus auf seine Entscheidung, den Großteil seines Vermögens in die Stiftung des Friedensnobelpreises fließen zu lassen? Recherchen der schwedischen Autorin Ingrid Carlberg, die in den letzten Jahren Archive in ganz Europa durchforstete, förderten die Korrespondenz zwischen Nobel und von Suttner zutage. Das gesammelte Material liefert Einblicke in eine einzigartige Freundschaft, in der sich die Entstehung der Friedensbewegung Ende des 19. Jahrhunderts widerspiegelt.
21:45
Die 22-jährige Lisa wusste schon lange, dass etwas mit ihr nicht stimmt: Sie litt unter sozialen Ängsten, Orientierungslosigkeit, hörte innere Stimmen, hatte verschiedene Handschriften und Erinnerungslücken. Bei einem Klinikaufenthalt vor drei Jahren kam die Diagnose: dissoziative Identitätsstörung (DIS). Sie hat verschiedene Persönlichkeitsanteile, die sich im Alltag abwechseln. "Ich habe mich immer unglaublich fremd gefühlt, der Körper schien fremdgesteuert", sagt Lisa. Die Störung hat ihre Wurzeln vermutlich in extrem frühen Traumata. Kleinkinder, die schwerster Gewalt oder Vernachlässigung ausgesetzt sind, können getrennte Persönlichkeitsstrukturen entwickeln, um zu überleben. Die Betroffenen verteilen die äußerst schmerzhaften Erfahrungen auf verschiedene Persönlichkeitsanteile - so fühlt es sich an, als wäre das Trauma nicht ihnen selbst, sondern anderen widerfahren. Laut WHO sind schwere Kindheitstraumata die Hauptursache. Dennoch gibt es in der Fachwelt Skepsis. Professor Jörg Fegert sieht die DIS als eine "Eintrittspforte für falsche Erinnerungen" und kritisiert die therapeutische Induzierung von "false memories". In Frankreich und den Niederlanden ist die Skepsis ebenfalls weit verbreitet. Traumaexperte Ellert Nijenhuis konnte jedoch in Studien nachweisen, dass unterschiedliche Identitäten bei DIS-Patienten auf traumatische Erlebnisse unterschiedlich reagieren. Für Lisa ist Therapie wichtig, um die Kommunikation zwischen den Persönlichkeitsanteilen zu verbessern und amnestische Barrieren zu lösen. Der Dokumentarfilm zeigt eindrucksvoll, wie belastend das Leben mit der Störung ist und beleuchtet den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs.
22:40
Seit 1965 verbringen Väter in Deutschland, Frankreich und vielen anderen westlichen Ländern viermal so viel Zeit mit ihren Kindern wie früher. Doch was bedeutet das für sie? Mit dem Thema Vaterschaft, lange ein Stiefkind der Wissenschaft, befassen sich heute Forschende verschiedener Disziplinen, von der Neurobiologie bis zur Anthropologie. Der US-Anthropologe Lee Gettler hat herausgefunden, dass sich bei frischgebackenen Vätern der Hormonhaushalt verändert: Der Testosteronspiegel sinkt, während das Stresshormon Cortisol und das "Bindungshormon" Oxytocin ansteigen. Noch überraschender: Je mehr sich ein Vater um sein Kind kümmert, desto stärker fällt dieser Effekt aus - und über die Epigenetik können diese Veränderungen sogar an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Doch nicht nur Biologie prägt die Vaterschaft. Der französische Bioakustiker Nicolas Mathevon widerlegt das Klischee, dass nur Mütter das Weinen ihres Babys sicher erkennen. Entscheidend dafür ist allein, wie viel Zeit ein Elternteil mit dem Kind verbringt. Und die israelische Neurobiologin Ruth Feldman zeigt: Bei schwulen Vätern, die gemeinsam ein Kind großziehen, aktivieren sich im Gehirn sowohl typisch "mütterliche" als auch "väterliche" Areale. Die amerikanische Anthropologin Sarah Blaffer Hrdy bestätigt diese Hypothese und betont die Bedeutung der sogenannten "Allo-Eltern", die die biologischen Erzeuger beim Großziehen des Nachwuchses unterstützen. Dass Väter für die Entwicklung ihrer Kinder wichtig sind, ist kein modernes Phänomen. Studien an Baumsteigerfröschen und Nachtaffen belegen, dass väterliche Fürsorge in der Evolution schon früh überlebenswichtig war. Beim Menschen kommt es jedoch auf den gesellschaftlichen Rahmen an: Eine wissenschaftliche Studie zu zwei Volksgruppen in Tansania zeigt, dass Väter bei den Jägern und Sammlern der Hadza, die sehr präsent bei ihren Kindern sind, einen niedrigeren Testosteronspiegel haben als kinderlose Männer - im Gegensatz zu ihren Nachbarn, den Datoga, wo die Männer tagsüber häufig abwesend sind und bei denen keine vergleichbaren Hormonveränderungen beobachtet wurden. Die Botschaft der Forschung ist klar: Väter sind nicht nur "Helfer", sondern prägen ihre Kinder biologisch und emotional - wenn die Umstände es zulassen. Diese Dokumentation zeigt, wie Vaterschaft Männer tiefgreifend prägt und warum die Bindung zwischen Vater und Kind für unsere Gesellschaft essenziell ist.
23:40
Neu auf ARTE: "42 - Die Antwort auf fast alles" ist die neue Wissensserie von ARTE, die durch große und kleine Fragen der Menschheit navigiert, originell, assoziativ, um die Ecke gedacht und getragen von einer prägnanten Stimme: Nora Tschirner macht sich Gedanken, sammelt Informationen, ordnet Material und gibt uns den Durchblick.
00:10
(1): Araucaria (2): Double or Nothing (3): Der Mann, der nicht schweigen wollte
01:05
Suleyman, ein senegalesischer Migrant, der in Paris auf die Anerkennung seines Aufenthaltsstatus wartet, gerät in die Fänge des Drogendealers Kader, der ihn ausbeutet. Als Suleyman gezwungen ist, eine leere Wohnung in der Vorstadt zu beziehen, lernt er den 16-jährigen Ibrahim kennen, der auf Bewährung aus der Haft entlassen wurde. Anfangs misstrauisch einander gegenüber, entwickeln sie nach und nach eine unerwartete Freundschaft ...
01:35
"Mon Amour" ist die Geschichte eines Mannes, der im hintersten Winkel Sibiriens eine Antwort sucht. Vor zehn Jahren hat er in Paris seine große Liebe getroffen - und wieder verloren. Kann er sie in dieser Eiswüste wiederfinden? Können die Bewohner der sibirischen Dörfer ihm dabei helfen? Er fragt sie nach ihren Geschichten, ob sie geliebt haben - hier, inmitten der Einöde, geprägt von Kälte und Alkohol. Wen sie "ihre Liebe" oder "mon amour" nennen.
04:20
Im Herzen Nepals erhebt sich das Annapurna-Massiv. In den Tälern zwischen 1.500 und 3.000 Metern Höhe herrscht ein einzigartiges Klima - mit eisigen Wintern und drückend heißen Sommern. Hier lebt ein besonderer Bewohner: die Riesenbiene Apis laboriosa. Diese tiefschwarzen, robusten Insekten können bis zu drei Zentimeter lang werden. Jahr für Jahr bauen sie an steilen Felswänden ein einziges, großes Nest - bis zu einen Meter lang und 80 Zentimeter im Durchmesser. Der bekannteste Honigjäger der Region, Lal Bahadur, begibt sich jedes Frühjahr auf die gefährliche Suche nach dem "süßen Gold". Für die Menschen ist der Honig weit mehr als eine Delikatesse - er gilt als Heil- und Rauschmittel. Bevor Lal Bahadur aufbricht, wählt er seine Gefährten aus. Gemeinsam fertigen sie aus Bambus das nötige Arbeitsmaterial: Seile, Körbe, Haken und vor allem eine 50 Meter lange Strickleiter. Jeder Handgriff muss sitzen, denn bei der Honigjagd hängt Lal Bahadurs Leben buchstäblich am seidenen Faden. Am Tag der Jagd erreichen sie nach vier Stunden Fußmarsch eine kahle Felswand, an der die Bienen ihr Nest gebaut haben. Barfuß und ohne Schutzkleidung steigt der Honigjäger die Leiter hinab, während seine Gefährten sie mit bloßen Händen sichern. Mit geübtem Blick bohrt er zwei Löcher in die Nestwand und zieht eine kleine Schlinge hindurch. Die Kunst besteht darin, die Wabe aufzufangen, sobald sie sich vom Felsen löst. Jetzt darf nichts schiefgehen, sonst war die ganze Mühe umsonst.