Mehr als nur Spartacus

Mehr als nur Spartacus

Zum 100. Geburtstag von Kirk Douglas

09.12.2016 - 14:11 Uhr

Auf den Tag genau vor 100 Jahren wurde in Amsterdam, einer Stadt im US-Bundesstaat New York, ein Junge mit Namen Issur Danielovitch Demsky geboren, der in den 50er und 60er Jahren zu einem der profiliertesten Schauspieler Hollywoods werden sollte und mit einer grundmenschlichen Mischung aus Verletzlichkeit und Furchtlosigkeit einen neuen Typ des Leinwandhelden schuf. Der Name, unter dem die Welt ihn kennt, ist Kirk Douglas, und hier sind seine fünf größten Rollen:

Zwischen Frauen und Seilen

Lange vor Rocky war Kirk Douglas der Champion

In den 30er Jahren war der Film Noir Hollywoods Antwort auf den expressionistischen Film, der in den 20er Jahren von Deutschland aus für Furore sorgte, und den Hays Code, in dem sich Hollywood ab Anfang der 30er Jahre moralische Zügel anlegte. Mit der Vieldeutigkeit des Film Noir und seinen verloren durch die Welt streifenden Antihelden konnten Gewalt und Erotik, die beiden ewigen Zugpferde des Films, stilsicher als Gesellschaftskritik oder - einfacher noch - als bloßer Krimi verpackt und erfolgreich vermarktet werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging der Bedarf an derartigen Filmen aber schnell und spürbar zurück: Monumentalfilme und leichte Komödien waren nun gefragt, die Welt - und mit ihr Hollywood - wollten zurück zu moralisch einwandfreien Themen.

Eine der letzten Film-Noir-Dramen der alten Schule war 1949 Zwischen Frauen und Seilen, ein hartes, kompromissloses Boxer-Drama, das 1950 für 6 Oscars nominiert wurde und immerhin einen - für den besten Schnitt - auch gewann. Vor allem aber wurde Hauptdarsteller Kirk Douglas mit diesem Film fast über Nacht zum Star und noch dazu zu einem, der bewiesen hatte, dass er bereit war, schauspielerische Grenzen auszuloten.

Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft

Den Film prägte Kirk Douglas, doch den Oscar erhielt Anthony Quinn als Paul Gauguin

1934 schrieb Irvin Stone den Beststeller Lust for Life, in dem er sich anhand der Briefe von Vincent van Gogh an dessen Bruder Theodor dem Leben und Leiden des Malers annahm. 12 Jahre später erwarb MGM die Filmrechte an dem Werk, ohne wirklich zu wissen, ob der Stoff tatsächlich zu einem für die Öffentlichkeit interessanten Film taugen würde. Fast 10 Jahre lagen die Rechte daher ungenutzt in der Schublade, bevor sie zu verfallen drohten und ein Film hermusste, der die anfänglichen Ausgaben rechtfertigen sollte. Nach dem Vorbild von "Moulin Rouge" und José Ferrers allgemein gelobter Darstellung von Henri de Toulouse-Lautrec ließ MGM deshalb ein Drehbuch entwickeln, bei dem klar war, dass es ohne einen absolut überzeugenden Hauptdarsteller zum Scheitern verurteilt war.

Das Studio hatte Glück: Kirk Douglas übernahm die Rolle nicht einfach nur, er tauchte im Stil eines Method Actors völlig in sie ein und lebte monatelang faktisch als Van Gogh. Bei der Premiere des Films führte das dazu, dass sein Sohn Michael weinend aus dem Kino stürmte, weil er glaubte, sein Vater hätte sich tatsächlich das Ohr abgetrennt. Und auch die Academy war beeindruckt: 1957 wurde Douglas nach Zwischen Frauen und Seilen und dem Drama Stadt der Illusionen zum dritten und letzten Mal für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert, auch wenn er abermals nicht zum Zuge kam.

Wege zum Ruhm

Stanley Kubrick und Kirk Douglas arbeiten zweimal zusammen. Douglas sagte einmal über Kubrick: Er war ein Bastard, aber ein wirklich talentierter Kerl

Nach dem Vorbild von Im Westen nichts Neues nahm sich Stanley Kubrick 1957 den Ersten Weltkrieg vor und inszenierte mit Wege zum Ruhm einen der gnadenlosesten Antikriegsfilme Hollywoods. Kirk Douglas, der das Projekt überhaupt erst ermöglichte, indem er gegenüber United Artists seine Star-Position als Druckmittel einsetzte, spielte darin Colonel Dax, einen Offizier mit Gewissen, der in Konflikt mit seinen Vorgesetzten gerät, nachdem ein Angriff auf die deutschen Linien erwartungsgemäß gescheitert ist und beliebig nach Soldaten gesucht wird, denen man die Schuld am Fehlschlag zuweisen kann. In engem Zusammenspiel mit Douglas entwickelte Kubrick aus dieser Geschichte eine bildgewaltige Anklage des Systems Krieg, in dem an der Front gestorben wird, während in der Etappe rauschende Feste gefeiert werden. Entsprechend passend war auch der Filmtitel gewählt, der auf ein Gedicht von Thomas Gray anspielt, in dem es heißt: Die Wege zum Ruhm führen nur ins Grab.

Für sein beklemmendes Meisterwerk geriet Kubrick übrigens ins Kreuzfeuer der Kritik. In Frankreich wurde der Film aus dem Programm genommen, bei den Berliner Filmfestspielen sollte er zunächst gezeigt werden und wurde letztlich ebenfalls abgesägt. In Frankreich feierte der Film letztlich erst 1975 Premiere, also fast 20 Jahre nach seiner Fertigstellung. Die Vorstellung, französische Offiziere könnten ihre Soldaten sinnlos opfern, galt zuvor als Angriff auf die Nation.

Einsam sind die Tapferen

Schon im Trailer trifft Western auf Moderne

Kirk Douglas bezeichnet David Millers Drama von 1962 als seinen persönlichen Lieblingsfilm, auch wenn er der Meinung ist, dass sein Pferd ihm in diesem Spät- und Antiwestern die Show gestohlen habe. In Einsam sind die Tapferen spielte Douglas einen Cowboy im amerikanischen Westen, der tragischerweise 100 Jahre zu spät unterwegs ist: Das Jahr ist 1953, und mit seinem Pferd, Outfit und vor allem seiner unstetigen Lebensweise ist Jack Burns ein leibhaftig gewordener Anachronismus, der amerikanische Traum bar jeder Romantik. Nicht einmal Clint Eastwoods Spätwestern Erbarmungslos schaffte es so ungeschönt, Western-Klischees und -Stimmungen so zu bedienen und dann gegen eine verzweifelte Realität auszuspielen.

Spartacus

Das Studio bemühte sich sichtlich, Spartacus als klassischen Monumentalfilm zu verkaufen

Kirk Douglas' bekannteste Rolle ist zweifellos die des Spartacus, und wer den Film nie gesehen hat, sondern nur Standbilder kennt, könnte Douglas leicht für einen Charlton-Heston-Abklatsch halten. In Wahrheit jedoch ist Spartacus der Anti-Monumentalfilm schlechthin, der nach einem Jahrzehnt immer absurder werdender Hochglanzproduktionen mit wechselnden biblischen und historischen Motiven einen Grad an Menschlichkeit zum Vorschein brachte, der das Genre faktisch ad absurdum führte. Genau wie David Lean die Weite der Wüste in Lawrence von Arabien nutzte, um die charakterliche Größe und Winzigkeit seiner Figuren hervorzuheben, spielte in Spartacus auch Stanley Kubrick mit dem Kontrast monumentaler Szenen und persönlicher Konflikte.

Kirk Douglas, der in Spartacus nicht einfach nur mitspielte, sondern den Film auch produzierte, gab den legendären Gladiator dabei nicht als übermenschlichen, brutalen Sandalenhelden, sondern als verletzlichen und nachdenklichen Freiheitskämpfer, der Gedichten lauscht, den Wind zu begreifen versucht und von der Welt keinen Ruhm und keine Heldenverehrung will, sondern nur das kleine Glück familiärer Geborgenheit in Freiheit. Gekonnt setzte Kubrick zur Unterstützung dieses Narrativs auf Szenen, wie man sie in einem Monumentalfilm bis dato nie gesehen hatte: Menschen beim Brotbacken, beim Essen am Lagerfeuer und vor allem eine lange Sequenz der Wanderschaft nicht einer heroischen Armee von Giganten, sondern von Menschen, Alten und Jungen, Vätern und Müttern, Kindern und Hunden.

Mit Spartacus ging Douglas aber nicht nur bei der Inszenierung und Darstellung ein Risiko ein, sondern auch hinter den Kulissen: Für das Drehbuch holte er sich nicht irgendeinen Autor, sondern Dalton Trumbo, einen der sogenannten Hollywood 10, einer Gruppe im Rahmen der Kommunistenhatz von Joseph McCarthy von ihren eigenen Kollegen ausgestoßenen Autoren und Regisseuren, denen kommunistische Umtriebe unterstellt wurden. Ihn zu engagieren wirkt aus heutiger Sicht wie eine triviale Entscheidung, doch 1960, ein Jahr nach der Revolution in Kuba und angesichts wachsender Spannungen zwischen den Supermächten, gehörte seitens Douglas enormer Mut dazu, sich derart deutlich gegen das Hollywood-Establishment und seine wegduckende Haltung zu stellen.

Und auch im Film selbst steckt die Kritik an der Denunziantenrolle Hollywoods, wenn die siegreichen Römer die Auslieferung von Spartacus fordern und sich die Überreste seines am Ende doch geschlagenen Heeres in einer der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte nach und nach mit dem Satz "Ich bin Spartacus" kollektiv gegen diesen Verrat auflehnen, auch wenn es den sicheren, grausamen Tod bedeutet.

Ich bin Spartacus

Für Douglas bedeutete Spartacus trotz aller Risiken nicht das Aus: Er spielte noch bis weit in die 90er Jahre hinein in Filmen mit, versuchte sich in den 1970ern kurzzeitig als Regisseur und ist in jüngerer Vergangenheit sogar unter die Blogger gegangen. Heute ist er mit 100 Jahren einer der letzten lebenden Stars aus Hollywoods goldener Zeit.