Zwei Königreiche aus Papier - Rokoko in Rudolstadt

Zwei Königreiche aus Papier - Rokoko in Rudolstadt

Die Tristesse im Sozialismus focht sie nicht an: Nach der täglichen Arbeit zum Wohl des Volkes zogen sich der Sonneberger Gerhard Bätz und der Berliner Manfred Kiedorf in den Absolutismus zurück. Aus Papier, Gips, mit Pinsel und Goldfarbe bauten sie sich ihre eigene prächtige Miniaturwelt: Pelarien und Dyonien, zwei Königreiche im Maßstab 1:50. Die Prunksucht der beiden begann in den 50ern unter der gemeinsamen Schulbank in Thüringen. Sie bekriegten sich mit Halmasteinen und Mini-Kanonen aus Blei. Die künstlerische "Fehde" hielt ein halbes Jahrhundert an und weitete sich ins Meisterhafte aus.

Doch Anfang der 60er Jahre trennen sich ihre Wege. Der Traum vom gemeinsamen Kunststudium scheitert. Gerhard Bätz wird abgelehnt. Kein Arbeiterkind. Manfred Kiedorf bekommt den Studienplatz, verliert ihn wegen Aufmüpfigkeit gegen den Arbeiter- und Bauern-Staat. Manfred geht nach Berlin, Gerhard riskiert Republikflucht. Doch statt in Schweden landet er hinter schwedischen Gardinen, schreibt er seinem Freund.

Danach wird Bätz Restaurator am Deutschen Spielzeugmuseum Sonnenberg. Ihr Austausch von nun an - fast nur noch schriftlich. Es werden fast 5.000 Briefe in den 50 Jahren, in Geheimsprache, damit sie als "Royalisten" nicht auffliegen. Mit Bauplänen, Detailzeichnungen und der Geschichte wichtiger Figuren "bei Hofe", mit Revolution und Konterrevolution, Renovierung und Umbau bauten sie unermüdlich an ihren Königreichen.

Daraus wurden filigrane Weltwunder - Rokoko en miniature. Das Gesamtkunstwerk ist seit 2007 in der Hofküche der Heidecksburg Rudolstadt zu sehen. Nun setzt ein neues Hoftheater dem Ganzen die Krone auf - Musonien. Aber es ist das unweigerlich letzte Schloss: Manfred Kiedorf ist 2015 verstorben und Gerhard Bätz hat mit schwindender Sehkraft die Lust am Prunk verloren. Auf der Rudolstädter Heidecksburg werden ihre Kunstwerke aber für immer zu sehen sein.

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