"Wir schaffen das!" Das Versprechen, das Europa spaltet

"Wir schaffen das!" Das Versprechen, das Europa spaltet

"Wir schaffen das!" - am 31. August 2015 sagt Angela Merkel den Satz, der in Europa bis heute nachhallt. Wolf-Christian Ulrich will wissen, was er ein Jahr später bewirkt hat. Was ist seitdem passiert? Wie hat sich Deutschland verändert? Ulrich zeichnet die wichtigsten Stationen der letzten zwölf Monate nach - ein Rückblick, der zugleich Analyse und auch Ausblick ist. Denn klar ist: Die Flüchtlingskrise wird uns noch viele Jahre beschäftigen. Wolf-Christian Ulrich trifft auf den Journalisten Hajo Schumacher. Er setzt sich seit Jahren mit Merkels Machtphysik auseinander. Schumacher erklärt, wieso die ansonsten eher kühl kalkulierende Kanzlerin sich plötzlich von Emotionen leiten ließ. Wieso sie in der Nacht vom 4. auf den 5. September, beeindruckt von den dramatischen Bildern in Ungarn, die Grenzen für tausende Flüchtlinge öffnete. Wieso sie bereit ist, ihre Kanzlerschaft ausgerechnet mit dem Erfolg ihrer Flüchtlingspolitik zu verknüpfen. Der Streit innerhalb der Union ist seitdem eskaliert. Die CSU drohte mit der Verfassungsklage. Eine unkontrollierte Zuwanderung macht auch vielen Menschen in Deutschland Angst. Es schien, als sei der Staat nicht mehr Herr der Lage. Auch deshalb verlor die CDU, seit Menschengedenken Garant der inneren Sicherheit, dramatisch an Zustimmung. Während die AfD sich als politische Kraft rechts der Union zu etablieren schien. In der Union fürchteten viele, Merkels Haltung in der Flüchtlingskrise könnte die CDU so nachhaltig schädigen wie Schröders Agenda 2010 die SPD. Umgekehrt gibt es in Deutschland eine Hilfsbereitschaft, deren Ausmaß uns - und andere - bis heute überrascht. Auch Alea Horst, eine junge Fotografin aus dem Westerwald, hat das Gefühl, sich einbringen zu müssen. Sie reist nach Lesbos, hilft dort zwei Wochen vor Ort. Zuhause in Diez kümmert sie sich ehrenamtlich um die Integration von Flüchtlingen. Der unabhängige Politikberater Gerald Knaus entwickelt ein Konzept, das Merkels Flüchtlingspolitik verändern und gleichzeitig retten soll. Auch Knaus lassen die Bilder, die die Flüchtlingskrise produziert, nicht los. Am 2. September 2015 ging das Foto des dreijährigen syrischen Jungen Alan Kurdi um die Welt, der tot an einem Strand nahe der türkischen Stadt Bodrum angespült wurde. Knaus, der eine kleine, von ihm selbst gegründete Denkfabrik namens "European Stability Initiative" leitet, ist der Gedanke, das Mittelmeer könne sich unter der Aufsicht der europäischen Politik in ein Massengrab verwandeln, zutiefst zuwider. Er entwarf den Plan, der bald als Merkel-Plan bekannt werden sollte: Jeder Flüchtling, der in Griechenland an Land geht, soll in einem geordneten Verfahren zurück in die Türkei geschickt werden. Dafür soll die EU der Türkei im Gegenzug syrische Flüchtlinge abnehmen. So weit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Jetzt kämpft Knaus darum, dass der Plan in den Mühlen der europäischen Politik nicht zermalmt wird. Dass er im Spannungsfeld eines Merkel-Europa und eines Orban-Europa Wirklichkeit werden kann. Denn auch er ist überzeugt, dass wir das nicht nur schaffen können. Sondern, dass wir es vor allem schaffen müssen.

Bewertung

0,0   0 Stimmen