Wie das Eis ins Ruhrgebiet kam

Wie das Eis ins Ruhrgebiet kam

Erdbeer, Vanille, Schokolade - was für ein Fest, wenn der Eismann mit seinem Karren in die Zechensiedlungen in Essen, Herne oder Oberhausen kam! Wenn er mit seiner Glocke läutete, dann kamen die Kinder angerannt und wollten für einen Groschen kalte Köstlichkeiten. Einer der Eismänner war Romeo Saviane. Er war 16 Jahre alt, als er aus den Dolomiten ins Ruhrgebiet kam, um Eis zu verkaufen. Was für seine Kunden eine süße Leckerei war, bedeutete für ihn harte Arbeit. Es war die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg, Eis war ein unverhoffter Genuss nach den Hungerjahren, ein Zeichen dafür, dass es wieder aufwärts ging. Das merkte auch die Schaustellerfamilie Schmalhaus-Krenz aus Oberhausen. Ihr Schokoladen- und Nusseis fand reißenden Absatz. Damals hatten nur wenige einen Kühlschrank - der Eispavillon auf der Kirmes war etwas ganz Besonderes. Und selbst auf der Fußballtribüne gab es Eis zu schlecken. Junge Männer jonglierten an den Wochenenden ihre Bauchläden durch die Zuschauerreihen der Stadien in Gelsenkirchen oder Bochum und priesen lautstark 'Rolli-Eis' an - Eis am Stiel aus Dortmund. Ein lukrativer Nebenjob, der den jungen Bergleuten oft mehr einbrachte als eine ganze Woche unter Tage. Als Kohle und Stahl boomten, träumte Romeo Saviane, der Junge aus Italien, von einem eigenen kleinen Eiscafe. In Duisburg fand er ein Lokal, gleich hinter den Krupp-Werken von Rheinhausen. Perfekt gelegen, dachte Romeo und hoffte, dass die Arbeiter in großen Scharen nach der Schicht bei ihm ins Eiscafé kämen. Doch seine Frau putzte umsonst den Dreck der Industrieschlote von den Tischen. Denn die Stahlarbeiter tranken als ganze Kerle lieber ihr Feierabendbier statt ein Eis zu schlecken. Es waren die Jugendlichen. Sie entdeckten in den 60ern die Eisdiele für sich, als Treffpunkt für das erste Rendezvous, als Ort der Sehnsucht nach dem sonnigen Süden - im Schatten von Thyssen und Krupp.

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