West ART: lit.COLOGNE - Die Reportage

West ART: lit.COLOGNE - Die Reportage

Ziemlich 'durchgeknallt' sind die Bücher, Storys und Themen der 13. lit.COLOGNE: Innenansichten aus der Psychiatrie, Gewaltphantasien, notorische Weltverbesserer und eine fürsorgliche Sympathie für das, was man 'Wahnsinn' nennt. Das diesjährige Literaturfest präsentiert so viele Veranstaltungen wie nie zuvor und macht es unserem rasenden lit.COLOGNE-Reporter Matthias Bongard nicht leicht, eine Auswahl zu treffen. Also schaut er dort hin, wo es besonders spannend ist und spricht mit denen, die dafür verantwortlich sind. Zum Beispiel mit dem Schauspieler Joachim Meyerhoff: In 'Wann wird es endlich so, wie es nie war' lässt er den kleinen Sohn eines Anstaltsleiters teilhaben an den skurrilen Phantasien und Weltentwürfen geistig und körperlich behinderter Bewohner einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ein traurig-komischer Roman über kuriose Zufälle und unsere bisweilen absurde Welt und die immer wieder kehrende Frage: Was ist eigentlich Normal und wer wirklich verrückt? 'Durchgeknallt?' - das könnte man sich bei der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller fragen, die Wörter und Buchstaben ausschneidet, neu sortiert, aufklebt und damit neue Poesie erschafft. Leider gibt Herta Müller keine Interviews, was Matthias Bongard nicht davon abhält, dem Geheimnis ihrer Buchstaben-Collage 'Vater spricht mit den Fliegen' auf den Grund zu gehen. Dirk Kurbjuweit hat keine 'Angst' vor Interviews, schildert aber in seinem gleichnamigen Roman das Psychogramm einer Gewalttat, die aus eben jenem Gefühl der Angst und der Unsicherheit hervorgegangen ist. Gruselig, grausam, genial geschrieben. Dass der Verlust an Sicherheit auch andere Konsequenzen als Verzweiflung haben kann, macht Philippe Pozzo di Borgo ('Ziemlich beste Freunde') klar. Auf der lit.COLOGNE wirbt er mit seinem Pamphlet 'Ziemlich verletzlich, ziemlich stark' für mehr Solidarität der Menschen miteinander. Was nützt uns eine auf Fitness und Leistung gepolte Gesellschaft, wenn Empathie und Menschlichkeit dabei verloren gehen? Genau! Deswegen nähert sich Eva Menasse der Beschreibung ihrer weiblichen Romanfigur gleich aus mehreren Perspektiven. Ihre Befürchtung: die Persönlichkeit eines Menschen beginnt sich in einer durchdigitalisierten Welt langsam aufzulösen. In 'Quasikristalle' beschreibt die Autorin eindringlich, wie die unterschiedlichen Bilder von einer Person zum Identitätsverlust führen können. Von dort ist es nicht weit zum Auseinanderbrechen einer ganzen Familie. Eben dies nämlich geschieht in dem neuen Roman des niederländischen Schriftstellers Peter Buwalda. Mit ihm ergründet Matthias Bongard den Sprengstoff, der in mach zwischenmenschlichen Beziehungen schlummert, Sicherungen durchknallen und - wie in 'Bonita Avenue' - auch schon mal ganze Häuser in die Luft fliegen lässt. Und weil es auch richtig lustige Veranstaltungen zur lit.COLOGNE gibt, trifft Matthias Bongard auf Sven Regener und Leander Haußmann. Ihr 'Hai-Alarm am Müggelsee' ist ein ziemlich durchgeknallter Film, der mit viel hintergründigem Humor kleine Geschichten von deutschen Beamten, teuflischen Intrigen und irrwitziger Tierliebe erzählt (Kinostart: 14. März). In Köln werden die beiden Regisseure ihr Drehbuch als Hörbuch zum Vortrage bringen. Nicht viel weniger schräg verspricht eine Aktion zu werden, die die Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe zur lit.COLOGNE plant: Ein 'Fabulierabend', Erzählen ohne Konzept und ohne Text, ein literarisches Experiment voller Überraschungen, auf das sich West ART- Moderator Matthias Bongard ganz besonders freut.

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