Weg vom Fenster

Weg vom Fenster

Mehrere Monate nach seiner Einlieferung in die Psychiatrie sollte der «Burnout»-Betroffene Matthias N. im Rahmen einer beruflichen Wiedereingliederungsmassnahme Kaltgetränke mit Eiswürfeln bestücken - und war noch immer überfordert damit! An solchen Beispielen wird deutlich, wie massiv die psychische Beeinträchtigung durch ein «Burnout» sein kann. Gerade bei Stressfolgekrankheiten ist der Heilungsprozess besonders schwer zu steuern und oft sehr individuell, weil er die gesamte Lebenssituation umfasst. Auch das gesellschaftliche Umfeld spielt eine entscheidende Rolle.

Menschen wie Matthias N. haben sich meist jahrelang systematisch überanstrengt, ohne es sich einzugestehen. Dadurch manövrierten sie sich nicht nur beruflich, sondern auch sozial und familiär ins völlige Abseits.

Einige Jahre nach der Krise denkt Matthias N. erneut über seine schwierige physische und psychische Gesundwerdung nach. Für den «DOK»-Film «Weg vom Fenster» begibt er sich noch einmal an die Orte seiner Therapien, die alle den beruflichen Wiedereinstieg zum Ziel hatten. Er berichtet über persönliche Widerstände und die Gefühle der Selbstentwertung, die ihn quälten. Wie viele «Burnout»-Betroffene erwies er sich damals als hartnäckig uneinsichtig. Stets wollte er seine noch vorhandene Leistungsfähigkeit beweisen. Zugleich wurde die Angst vor erneutem Scheitern immer grösser. Erst nach langem Umherirren und grüblerischer Selbstzerfleischung gelang es dem ehemaligen Geschäftsführer, zusammen mit aufmerksamen therapeutischen Begleitern, seine Haltung zu Arbeit und Leben grundsätzlich zu überdenken. Und dabei einen tiefgreifenden Entschluss zu fassen: nie wieder will er in eine

solche Falle tappen.

Der «DOK»-Film von Sören Senn zeigt anhand dieser Fallgeschichte einfühlsam, wie individuell und doch gesellschaftstypisch die Ursachen für ein «Burnout» sind. Und wie entscheidend es bei der Aufarbeitung ist, ein geduldiges therapeutisches und soziales Umfeld zu haben. Der Film wirft aber auch weiterführende Fragen auf: Wie ist es überhaupt möglich, sich in einer «Burnout»-gefährdeten Gesellschaft zu behaupten? Wie kann sich ein «unabhängiges» Selbstwertgefühl entwickeln, wenn in den meisten heutigen Arbeitszusammenhängen nur noch ein Credo zu gelten scheint: Wer nichts leistet, ist nichts wert.

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