Was war links?

Was war links?

"Das kam von oben", sagt Barbara Sichtermann, "das kam ganz einfach durch die Bullen".

Sie spricht von der Gewalt-Eskalation während jener Demonstration, die als die Schlacht am Tegeler Weg in die Geschichte der Linken in Deutschland einging. Die APO und ihre Anhänger waren am 4.11.1968 auf die Straße gegangen, weil gegen Horst Mahler an diesem Tag ein Prozess eröffnet wurde. Mahler war angeklagt, nicht nur Anwalt der APO, sondern auch ihr Rädelsführer zu sein. Gert Möbius, älterer Bruder von Ton-Steine-Scherben-Sänger Rio Reiser und an diesem Tag ebenfalls Demonstrant, erinnert sich: "Auf einmal wurde ein Lastwagen mit Steinen angefahren. Das waren wir doch nicht!" Mit den Steinwürfen der Schlacht am Tegeler Weg war das Ende der fröhlichen Jugendrevolte gekommen. Die einen verschwanden im Untergrund, lernten schießen in Jordanien und nannten sich Rote Armee Fraktion. Andere - wie Gert Möbius - bekannten, sie seien zu feige und blieben Hausbesetzer, Musiker, Kiffer. Wieder andere gründeten Parteien, die das "K" für "kommunistisch" im Namen trugen und beriefen sich auf Mao und Pol Pot. Ob einer Terrorist wurde oder Regisseur, sagt Dokumentarfilmer Harun Farocki, sei damals fast kein Unterschied gewesen. Bevor Gudrun Ensslin Brandsätze in Kaufhäusern legte und Banken überfiel, sah man sie in der neu gegründeten dffb, der - ziemlich elitären - Berliner Filmhochschule. Sie machte als Schauspielerin in einigen Produktionen mit. Zu den wenigen Auserwählten, die an der dffb studieren durften, gehörte auch der spätere Terrorist Holger Meins.

Andreas Christoph Schmidt zeichnet die Gewalt-Eskalationen der siebziger Jahre nach. Und er zeigt, wie diese Entwicklung von den geistigen Vätern der Studentenbewegung kommentiert und diskutiert wurde: von Ernst Bloch, Herbert Marcuse, Richard Löwenthal, auch von Heinrich Albertz, 1966-67 Regierender Bürgermeister von Berlin. Die zentrale Frage: Wann ist Gewalt gegen den - demokratisch legitimierten - Staat moralisch gerechtfertigt? Wann gilt, was Ulrike Meinhof aus dem Untergrund im "Spiegel" Nr. 25/1970 proklamierte: "... natürlich kann geschossen werden"?

Über die Linke und die Gewalt sprechen außerdem u. a. Siegward Lönnendonker, der Archivar der APO, Rechtsanwalt Heinrich Hannover, einst Verteidiger von Ulrike Meinhof, Klaus Theweleit, Bernd Rabehl und Oskar Negt.

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