Waffen für den Drogenkrieg - Wie das G36 nach Mexiko kam

Waffen für den Drogenkrieg - Wie das G36 nach Mexiko kam

Es geht um ein Millionengeschäft, das bewirkte, was die Bundesregierung zuvor ausdrücklich verboten hatte: Deutsche Sturmgewehre gerieten in den mexikanischen Drogenkrieg, einen Krieg, in dem selbst die Polizei an Morden beteiligt ist. Jeder kämpft hier gegen jeden. Die "Sicherheitskräfte" sind mit den Drogenbanden verflochten. Fast täglich verschwinden Menschen. Um die blutigen Kämpfe nicht noch mit Kriegswaffen aus Deutschland anzuheizen, untersagte die Bundesregierung, diverse mexikanische Bundesstaaten mit Sturmgewehren zu beliefern. Damit war eigentlich jedes Rüstungsgeschäft mit Mexiko tabu, denn niemand konnte ausschließen, dass die heiße Ware, kommt sie erst einmal in Mexiko an, nicht doch genau in diese Kampfgebiete gelangen würde.

Dabei hatte das schwäbische Rüstungsunternehmen Heckler & Koch gerade einen Großauftrag vom mexikanischen Verteidigungsministerium erhalten: Tausende Sturmgewehre vom Typ G36 bestellten die Mexikaner von der Traditionsfirma in Oberndorf am Neckar, das modernste, was Deutschland zu bieten hat. Aber jetzt schrieben die deutschen Behörden Heckler & Koch vor, zu gewährleisten, dass keine einzige Waffe in die Krisengebiete gelangt. Wie sollte das gehen? Das war natürlich nicht zu garantieren. Vielmehr war klar: Unter dieser Bedingung hätte Heckler & Koch auf dieses Geschäft verzichten müssen. Der große Waffendeal drohte, komplett zu platzen. Doch Heckler & Koch sah nicht ein, sich den lukrativen Auftrag entgehen zu lassen. Menschenrechte hin oder her - Heckler & Koch wollte liefern. Skrupel wegen der Bedenken aus dem Auswärtigen Amt hatte man offenbar nicht.

Aber die Unternehmer aus dem idyllischen Oberndorf legten sehr wohl Wert darauf, "legal" zu liefern. Zumindest sollte alles sauber aussehen. Heckler & Koch gab also beim zuständigen Bundesausfuhramt eine sogenannte Endverbleibserklärung ab, die den Auflagen der Behörden Rechnung trug - auf dem Papier: Die kritischen mexikanischen Bundesstaaten wurden einfach von der Empfängerliste heruntergenommen. Fertig. Die Beamten waren damit zufrieden. Heckler & Koch hielt sich aber nicht an diese "Endverbleibserklärung". Mitarbeiter präsentierten das G36 etwa im Tabu-Bundesstaat Jalisco, wo es niemals hätte hingelangen dürfen. Die örtliche Polizei bedankte sich per Urkunde bei Heckler & Koch.

Einen Verdacht schöpften die deutschen Ausfuhrkontrolleure nicht. Das Amt machte es Heckler & Koch leicht - sehr leicht, wie die Doku zeigt. Lag das womöglich daran, dass das BAFA dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht? Das Ministerium will schließlich in erster Linie die deutsche Wirtschaft fördern und nicht die Welt vor Waffen schützen. Drückten die Kontrolleure bewusst vor den warnenden Berichten der UNO, von Amnesty International und dem Auswärtigem Amt die Augen zu, um ein Exportgeschäft nicht zu behindern? Oder hatte Heckler & Koch gar Einfluss auf die Politik genommen, um das Geschäft trotz der K.O.-Auflagen doch noch über die Bühne zu kriegen? Diesen Fragen geht der Film nach.

Im Zentrum der Recherche stehen zwei Politiker, die gern das Rüstungsunternehmen besucht haben: Der eine ist Ernst Burgbacher , damaliger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, dem das Bundesausfuhramt untersteht. Der andere ist Volker Kauder, amtierender Vorsitzender der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Beide haben ihren Wahlkreis vor der Haustür von Heckler & Koch. Ihre Wahlkreisbüros erhielten über Jahre hinweg Geld von Heckler & Koch. Das Unternehmen spendete regelmäßig, aber immer nur so viel, dass keine der Spenden veröffentlicht werden musste. Zwischen 2002 und 2011 gab die Waffenfirma insgesamt 93.000 Euro für Parteienspenden aus. Gab es dafür keine Gegenleistung oder haben deutsche Politiker dafür gesorgt, dass Heckler & Koch Rüstungsexporte "unbürokratisch" abwickeln konnte, auch wenn absehbar war, dass die Waffen in die Hände von Killern gelangen?

Autor Daniel Harrich hat in Mexiko und in Deutschland akribisch recherchiert. Es gelang ihm, an brisante Papiere aus dem mexikanischen Verteidigungsministerium, an e-Mails zwischen Heckler & Koch und den Behörden, an die firmeninterne Korrespondenz und Reisekostenabrechnungen sowie an Fotos und Videos von G36 in den Unruhestaaten zu kommen. Eindrucksvoll belegen die Dokumente, wie die deutsche Rüstungsexportkontrolle versagte. Der Filmemacher sprach mit ehemaligen Mitarbeitern der Waffenschmiede, die selbst an dem Deal beteiligt waren, und mit mexikanischen Militärs. Er drehte dort, wo das G36 aus Deutschland nun im Einsatz ist, mitten im mexikanischen Drogenkrieg. Dort sprach Daniel Harrich auch mit mexikanischen Studenten, die von Polizisten beschossen wurden, weil sie eine Autobahn blockierten. Freunde der Augenzeugen wurden dabei tödlich getroffen. Im Einsatz waren auch G36 aus Oberndorf.

Der Filmemacher bittet die Global Player aus Oberndorf um Stellungnahme zu den Rechercheergebnissen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die seit Jahren gegen Verantwortliche des Unternehmens ermittelt, kommt zu Wort. Auf der anderen Seite versucht Daniel Harrich, auch die Verantwortlichen in den Behörden und auf der politischen Entscheidungsebene zur Rede zu stellen. Exemplarisch zeigen die Recherchen, wie leicht der politische Grundsatz - keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete, Folter- und Polizeistaaten - von deutschen Waffenhändlern umgangen werden kann. Diese Doku entlarvt: Die "Endverbleibserklärungen" der Waffenhändler, auf die sich die Bundesregierung verlässt, hat in Wahrheit nur die Wirkung einer Beruhigungspille für die deutsche Öffentlichkeit: Das Instrument, auf dem die gesamte deutsche Rüstungsexportkontrolle beruht, erscheint nach diesem Film wertlos.

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