Von der Kunst, den Mut nicht zu verlieren

Von der Kunst, den Mut nicht zu verlieren

Sie ist 95 Jahre alt, dreht aber noch jeden Tag ihre Runde im Park. Wäre es nach den Nazis gegangen, wäre sie kaum älter als zwanzig geworden. "Ich hatte viele Chancen, tot zu sein", sagt Trude Simonsohn, "aber ich hatte Glück, trotz allem". Sie wurde im tschechischen Olmütz geboren. Ihre Eltern wurden im KZ ermordet, sie selbst vor ein Standgericht gestellt, mit 21 Jahren. Zermürbende Einzelhaft, mal stundenlang an die Wand gestellt und dann doch nicht erschossen worden. Sie hat alles und viele überlebt: Freunde, Verwandte. Was sie aufrecht hielt, waren Menschen, kleine Begegnungen. "Da war immer jemand, der mir Mut zugesprochen hat", sagt sie, "und das hat mir oft das Leben gerettet, wenn ich es nicht mehr aushalten konnte". Noch heute geht sie in Schulen, spricht vor allem mit jungen Menschen und erzählt aus ihrem Leben. Das macht sie mit einer Herzenswärme, die überrascht und beeindruckt. Immerhin hätte sie Grund genug, verbittert zu sein. Stattdessen lebt sie seit sechzig Jahren in Frankfurt, in einem Deutschland, das zwar nicht mehr Nazi-Deutschland ist, aber Millionen Juden umgebracht hat. "Dafür können doch die jungen Menschen nichts", weiß sie fein zu unterscheiden. Für ihr jahrzehntelanges Engagement als Zeitzeugin und für Verständigung hat sie viele Preise bekommen. Morgen, am 16. Oktober, soll sie Ehrenbürger der Stadt Frankfurt werden - als erste Frau. Esther Schapira ist Dokumentarfilmerin, hr-Redakteurin und mit Trude Simonsohn seit vielen Jahren befreundet. Aus einem Besuch bei Trude Simonsohn ist ein sehr persönliches Porträt entstanden.

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