Vom Glück des Schreibens: Florjan Lipus im Porträt

Vom Glück des Schreibens: Florjan Lipus im Porträt

Florjan Lipus ist Kärntner Slowene und schreibt in Slowenisch. Ein zarter, vorsichtiger und doch entschiedener Mann, den die Traumata seiner jungen Jahre zum Schreiben gedrängt haben.

Lipus wurde 1937 in Lobnig/Lobnik in Kärnten geboren. Die Deportation seiner Mutter während der NS-Zeit erlebte er als Sechsjähriger. Sie kehrte nie wieder zurück. Deportation und Ermordung der Mutter sind Dreh - und Angelpunkte in den Werken von Florjan Lipus.

Anlässlich der Entgegennahme des France-Preseren-Preises, der höchsten Auszeichnung für Kunst und Kultur des Staates Slowenien, sagte Florjan Lipus 2004 in seiner mit "Freude und Wehmut" überschriebenen Rede: "Nie stand etwas anderes auf dem Spiel als die Sprache. Durch die Sprache sind wir oder sind wir nicht, durch die Sprache werden wir bestehen oder nicht." Das Schreiben in slowenischer Sprache war im Fall von Florjan Lipus von Beginn an auch ein politischer Akt, ein Zeichen des Widerstands, des Aufbegehrens.

Seine Mutter wurde im KZ Ravensbrück umgebracht - die Verfolgung der Kärntner Slowenen während des NS-Terrors ist bis heute ein wenig bekanntes Kapitel österreichischer Zeitgeschichte. Neben seiner Mutter ist es auch die Figur des Vaters, der zur Wehrmacht eingezogen wurde, nach dem Krieg zurückkehrte, noch einmal heiratete und sich vor allem durch Härte in allem und gegen alles auszeichnete, die maßgeblich das literarische Schaffen von Florjan Lipus prägt.

Katja Gasser hat sich mit Florjan Lipus auf den Weg gemacht, die landschaftlichen und biografischen Grundlagen zu erforschen, aus denen sich seine Literatur nährt. Und auch wenn Florjan Lipus stets darauf bestanden hat, dass "weder die Kärntner Landschaft und die Täler noch die Tatsache, dass ich einer nationalen Minderheit angehöre" einen Einfluss auf sein Schreiben haben, zeigt sich einem der literarische Kosmos von Florjan Lipus in hellerem, klarerem Licht, wenn man in die geografischen und biografischen Bedingungen dieser Literatur eintaucht.

Niemand sonst hat das kärntnerslowenische Dorf so akribisch auf seine Bruchstellen hin seziert wie Florjan Lipus. Es ist wohl die zentrale Figur im Werk dieses Autors. Er zeigt das Dorf als einen schauerlichen, patriarchal imprägnierten, vom Katholizismus, von der Gewalt der Natur in Schach gehaltenen Ort, an dem Zuneigung, wenn überhaupt, nur im Geheimen stattfinden kann, an dem sich Leben, wenn überhaupt, nur im Bewältigen des Alltäglichen vollzieht, an dem Mensch-Sein vor allem bedeutet, sich zu fügen, dem, was ist.

Den Glanz, den gibt allein die Religion, die dadurch grenzenlose Macht hat. Die Zartheit der Texte von Florjan Lipus ist ein Resultat der literarischen Feinmaschigkeit, der hohen formalen Kunst, die auch Ausdruck ist der großen Zugeneigtheit des Autors zu seinem Gegenstand, dem Leben, dem Leiden und Lieben an den vergessenen Rändern der Welt.

Florjan Lipus sucht mit Katja Gasser jenen entlegenen Ort in den Wäldern Südkärntens an der Grenze zu Slowenien auf, wo einst sein Zuhause stand und von wo aus die Mutter von zwei SS-Männern, die aus der Gegend stammten, weggeführt wurde, wo er als Sechsjähriger der Mutter nachblickte. Mit ihm zurück blieben sein zweijähriger Bruder und seine todkranke Großmutter, die kurz darauf starb.

Lipus hat sich mit seiner Literatur niemals vor den nationalen Karren spannen lassen, er war stets davon überzeugt, dass den Menschen, so auch den Angehörigen der slowenischen Volksgruppe in Kärnten, nur gute Kunst, nur ernsthafte - und damit meint er formbewusste - Literatur Zukunft geben kann. Er hat mit Kritik an slowenischsprachigen politischen Vertretern in Kärnten ebenso wenig gespart wie mit Kritik an ihren deutschsprachigen Kollegen. Fest steht für Florjan Lipus: "Ginge es nach dem Vorbild unserer politischen Ausschüsse, wären wir schon jetzt reif für die Museen und Archive, wenn nicht gar fürs Grab."

Zum Durchbruch im deutschsprachigen Raum verhalf Florjan Lipus die Übersetzung seines Romans "Zmote dijaka Tjaza" durch Peter Handke und Helga Mracnikar - Anfang der 1980er-Jahre erschien der Text unter dem Titel "Der Zögling Tjaz" auf Deutsch. Alles dreht sich darin um Tjaz, die Hauptfigur, einen Jungen, der aus der tiefen Provinz in ein katholisches Internat und damit in ein Herrschaftssystem kommt, das zunehmend seine ohnehin fragilen Lebensgeister zermürbt.

Den Hintergrund dieses viel diskutierten Romans bildet die reale Internatserfahrung von Florjan Lipus: Er besuchte das legendäre Gymnasium in Tanzenberg/Plesivec, wo bereits seine erste Publikations - und Redaktionstätigkeit stattfindet. Tanzenberg war einst die katholische Kaderschmiede für Anwärter auf das Priesteramt und für Kinder aus ökonomisch schwachen Familien nicht selten die einzige Möglichkeit, zu höherer Bildung zu gelangen. Mit Katja Gasser besucht Florjan Lipus nach vielen Jahren wieder Tanzenberg, über das er einmal geschrieben hat, es sei ehemals eine "Miniatur der katholischen Kirche" gewesen: "eine Institution der Herrschsucht und Präpotenz." Seinen Text "Von der Zähigkeit in der Veränderung. Was Tanzenberg nicht lesen wollte" beschließt er folgendermaßen: "So steht Tanzenberg in meinem Bewusstsein für zweierlei: das humanistische Gymnasium für die freien und sich öffnenden geistigen Bereiche, und das Internat für die sich schließenden".

Florjan Lipus schreibt immer schon mit Bleistift, in kleinster Schrift, kaum entzifferbar. Im zweiten Schritt werden die Texte erst abgetippt. Er gewährt in diesem Film Einblicke in das Entstehen seiner Texte, man sieht ihn in seinem Arbeitszimmer in der tiefen südlichen österreichischen Provinz: umgeben von viel Stille.

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