Tusch, Alaaf, Rakete - Wie die Kölner ihre Karnevalssitzungen feiern

Tusch, Alaaf, Rakete - Wie die Kölner ihre Karnevalssitzungen feiern

Zwischen Neujahr und Aschermittwoch vergeht kein Tag, an dem in Köln nicht mindestens ein halbes Dutzend Sitzungen stattfinden. Die Anfänge dieser Karnevalskultur gehen auf das Jahr 1823 zurück, als das "Festordnende Komitee" in Köln das oft "rohe, ungebändigte Karnevalstreiben auf der Straße" in neue, bürgerliche Bahnen lenken wollte. Man "erfand" mit der Sitzung die karnevalistische Saalveranstaltung und damit einen Gesellschaftskarneval, der auch mäßigenden Einfluss auf den "wilden" Straßenkarneval ausüben sollte.

In dem Film von Carl Dietmar und Andreas Kölmel kommen bekannte Karnevalsforscher und aktive Bühnenakteure wie Marc Metzger und Wicky Junggeburth zu Wort. Die Autoren sprechen auch mit Karnevalslegenden wie dem "Krätzchen"-Sänger Ludwig Sebus und Zeitzeugen wie dem ehemaligen Bürgermeister der Stadt Köln Jan Brügelmann über die Geschichte der Sitzungen in Köln. Eine wichtige Rolle im Film spielen auch Auftritte des Colonia Duetts, der Bläck Fööss und von Büttenrednern wie Kurt Lauterbach, Hans Hachenberg und Gerd Rück.

Die Dokumentation zeigt auch, wie sich der organisierte Karneval von den Nationalsozialisten instrumentalisieren ließ. In der Bütt und im Liedgut wurde gegen Juden und Andersdenkende gehetzt. Einer der Wenigen, die sich den Vorgaben der Nazis entzogen, war Büttenredner Karl Küpper, der im Jahr 1939 schließlich mit einem "lebenslänglichen Redeverbot" von den Sitzungen ausgeschlossen wurde. Sein Sohn Gerhard Küpper und Fritz Bilz, Autor einer Küpper-Biografie, erinnern an diese Zeit. Anhand zahlreicher historischer Aufnahmen zeigt die Dokumentation außerdem, wie sich nach dem Krieg - vor allem seit den 1950er Jahren - Charakter, Inhalte und Form der Sitzung, aber auch die Ansprüche des Publikums, verändert und gewandelt haben.

Tusch, Alaaf, Rakete - Wie die Kölner ihre Karnevalssitzungen feiern: Eine Kulturgeschichte des Sitzungskarnevals als eine Urzelle der jecken Existenz, in der die Sehnsucht nach Heimat und Identität deutlich wird.

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