Türkei - Im Felsenlabyrinth von Kappadokien

Türkei - Im Felsenlabyrinth von Kappadokien

Die zerfurchten, ruinengleichen Täler Kappadokiens in Zentralanatolien galten als magischer Ort der Götter und Geister. Die ersten Christen fanden dort Zuflucht und legten ihre ersten Wurzeln Sie kratzten sich ein Spinnennetz von Gängen und Kreuzungen in den weichen Tuffstein, weit mehr als 1.000 unterirdische Kirchen und Klöster, ganze unterirdische Städte, die zusammen zu den größten von Menschenhand geschaffenen Höhlenkomplexen der Welt gehören.

Auf vielen hundert Quadratkilometern scheint eine gigantische Mondlandschaft vulkanischen Ursprungs im Augenblick ihrer heftigsten Bewegung erstarrt zu sein. In grauer Vorzeit spuckten die beiden großen Vulkane Vorderasiens, der "Eriyas Dagi" und der "Hasan Dagi", das gesamte kappadokische Hochland der heutigen Türkei aus den Eingeweiden der Erde. Einer alten seldschukischen Legende folgend, schufen sich die Götter damit einen Spielplatz aus spitzigen Felskegeln, Domen und Pyramiden.

Jedes Jahr, wenn Bartholomaios I., der Patriarch der orthodoxen Weltkirchen, Anfang Juli aus seinem Amtssitz Istanbul für einige Tage in die Schluchten des kappadokischen Hochlandes reist, beginnt für ihn und sein schwarzgewandetes Gefolge auch eine Reise zurück zu den Wurzeln des Christentums. Seine Reisen, sagt das bärtige Kirchenoberhaupt, seien Annäherungen an die einstigen muslimischen Nachbarn, mit denen die Christen dort fast 1.500 Jahre zusammenlebten, bis sie 1923 umgesiedelt wurden, um Platz zu schaffen für türkischstämmige Familien aus Nordgriechenland.

Der Filmemacher Martin Thoma und sein Team sind dem greisen Kirchenmann im Sommer 2005 gefolgt und haben festgestellt, dass der Wechsel und Wirrwarr von Ethnien, Religionen und Aberglaube das einzig Beständige in den Bergtälern Kappadokiens zu sein scheint. Die heutige muslimische Bevölkerung geht eher pragmatisch mit dem in Stein gehauenen Nachlass der ersten Christen um.

Ali Sirli, der alte Schäfer aus Uchisar, hat seine 90 Schafe in einer alten byzantinischen Höhlenkirche untergebracht, ein weiterer Tuffkegel dient als Behausung für seine Tauben, deren Mist er als Dünger für Tomaten- und Gurkenfelder verwendet. Er lebt noch heute mit Frau und fünf Kindern in einem "Feenkamin", den einst sein Urgroßvater in einen Tuffkegel geschabt hat. Nicht ganz legal, denn seit die UNESCO die bizarre Tufflandschaft um Göreme und Uchisar 1982 zum Weltkulturerbe erklärt hat, verschwanden die meisten Familien im Zuge einer staatlich verordneten Umzugsaktion in die schnell errichteten Betonhäuser der Neustädte. Seitdem ist Ali den Behörden ein Dorn im Auge, wie sein Nachbar Hassan, ein pensionierter Wildhüter.

Mittlerweile hat der lokale Tourismus das Weltkulturerbe für sich entdeckt. Reiseveranstalter dröhnen mit vollklimatisierten Bussen durch die zerfurchte Landschaft und treiben Pauschaltouristen durch die Felsentäler und Höhlengänge. Die Jungen verdingen sich als Reiseführer, eröffnen eine Billigpension oder ziehen in die Großstädte. Irgendwann habe man hier nur noch Geisterstädte und Tuffruinen, meint Hassan, die Dörfer sterben aus und mit ihnen gehe der Stolz der alten Anatolier zum Teufel.

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