Tunesien - Stimmen der Revolution

Tunesien - Stimmen der Revolution

Verhaftungen, Folter, Vergewaltigung, Mord, Zwangsscheidung, Enteignung: Die Dokumentation schildert anhand von Zeitzeugenberichten und Archivaufnahmen die Geschichte Tunesiens von der Machtergreifung Habib Bourguibas bis zur Vertreibung von Zine el-Abidine Ben Ali. Er zeigt die Hoffnungen, die in die beiden Männer gesetzt wurden, aber auch die grausamen Verbrechen, die ihre Amtszeit überschatteten. Im Januar 2011 nahmen die Tunesier ihr Schicksal selbst in die Hand und stürzten in nicht einmal vier Wochen ein über 50 Jahre währendes diktatorisches Regime. Sie erhielten eine neue Verfassung, freie Wahlen, und in der Verfassung wurden Instrumente der Übergangsjustiz verankert, mit deren Hilfe Opfer die Möglichkeit haben, erlittene Menschenrechtsverletzungen anzuzeigen. Zuständig hierfür ist die "Instanz für Wahrheit und Würde". Vor ihr berichten die Opfer, wie sie unter der Diktatur gelitten haben, wie der tunesische Staat über mehr als ein halbes Jahrhundert Leben zerstört, Angst geschürt und jeden zum potenziellen Verdächtigen erklärt hat. Im Verlauf der Gespräche wird deutlich, wie weit die Absurdität des Systems geführt wurde. Die Wahrheitskommission arbeitet das Unrecht auf, das in Tunesien zwischen 1955 und 2013 begangen wurde, also vom Ende der Kolonialzeit bis hin zur ersten Demokratie. Fünf in mobile Büros umgebaute Lastwagen durchqueren das ganze Land, um jedem - auch den Tätern - in einer öffentlichen Anhörung eine Aussage zu ermöglichen. Die Dokumentation begleitet ein Team der Wahrheitskommission ins südtunesische Dorf Ouled Chrait, aus dem der 1963 unter Bourguiba hingerichtete Putschist Lazare Chraiti stammte. Die Menschen dort leben in ärmsten Verhältnissen. Rund 65.000 Fälle wurden bisher registriert und müssen teilweise noch aufgeklärt werden. Die Nachforschungen erweisen sich mitunter als gefährlich, da viele Polizisten, die an der Niederschlagung der Aufstände beteiligt waren, noch immer im Amt sind. Die Mitarbeiter der Wahrheitskommission fühlen sich häufig machtlos, da viele der Täter straffrei ausgehen. Die öffentlichen Anhörungen sind in Tunesien zu einer politischen Waffe geworden: Was hier zur Sprache kommt, wird für immer aktenkundig. Doch trotz der Erinnerungsarbeit zur Versöhnung des Landes besteht das Problem von Folter und Willkür in der jungen Demokratie nach wie vor weiter.

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