Stürmen für Deutschland

Stürmen für Deutschland

Fußball, die 'schönste Nebensache der Welt', war vermutlich nie ganz unpolitisch. In Deutschland geriet der Fußball besonders in der NS-Zeit stark in den Sog von Politik und Ideologie, und dieses - zumindest höchst zwiespältige - Erbe hat auch die Nachkriegsjahre und den internationalen Wiederaufstieg geprägt. Diese Erkenntnis gehört allerdings zu den sorgsam verschwiegenen Kapiteln der Sportgeschichte. Die zweiteilige Dokumentation von Dirk Bitzer und Bernd Wilting erzählt von den vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Politik und Fußball in einer bewegten Zeit. Teil 1 beschäftigt sich mit der Zeit des Nationalsozialismus, Teil 2 mit der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 1954.
Als Adolf Hitler 1933 Reichskanzler wird, ist Fußball noch kein Volkssport. Sein Siegeszug hat gerade erst begonnen. Bisher hat Sport in Deutschland stets der Wehrertüchtigung gedient. Das Fußballspiel hat zwar in den vergangenen Jahren mehr und mehr Anhänger gefunden, aber Anerkennung von offizieller Seite ist dem 1900 gegründeten Deutschen Fußballbund versagt geblieben. Die DFB-Führung verbindet deshalb mit der Machtübernahme durch die Nazis die Hoffnung auf Anerkennung im Dienste der nationalen Sache. Hitler und seiner Umgebung ist die aus England gekommene 'Fußlümmelei' allerdings eher fremd. Sie bevorzugen ebenfalls die soldatischen Kampfsportarten. Andererseits erkennt Propagandaminister Joseph Goebbels schnell, wie viel Emotionen ein Fußballspiel freisetzen kann. In der Hierarchie des gleichgeschalteten deutschen Sports können so auch eine Reihe von linientreuen Fußballfunktionären aufsteigen. Auch die Vereine sollen nun in nationalsozialistischem Geist funktionieren. Der genaue Blick zeigt, dass die Spielräume, die das System zunächst noch bot, sehr unterschiedlich genutzt wurden. Manch ein Verein drängte seine jüdischen Spieler und Mitglieder bereits in vorauseilendem Gehorsam zum Austritt, andere wehrten sich dagegen, so lange es ging. Vereine wie Bayern München und Eintracht Frankfurt galten - auch aus der Sicht der Zuschauer - als 'Judenvereine', 1860 München war stramm auf Parteilinie, und ein sportlich erfolgreicher Arbeiterverein wie Schalke 04 konnte letztlich der Gefahr nicht entgehen, politisch instrumentalisiert zu werden. Eine besondere Rolle spielte aus offizieller Sicht natürlich die Nationalmannschaft, die auf dem Platz arische Überlegenheit demonstrieren sollte. Ab 1938 wurde sie auch quasi als 'Botschafter' in jeweils neu besetzte Gebiete geschickt. Politisch unerwünschte Niederlagen und der Krieg beendeten dieses Kapitel.

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