
Sprechstunde im Mutterleib
Dank spektakulärer Fortschritte in der Genetik und der Fötalmedizin ist der wenige Zentimeter große Fötus, der bisher im Schutz des Mutterleibes wuchs, in jüngster Zeit zum Forschungsgegenstand geworden - und damit auch zum Patienten. So ist das menschliche Wesen zwar schon vor seiner Geburt sichtbar und untersuchbar. Wird eine Krankheit festgestellt, zudem meist nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, ist sie aber in den seltensten Fällen auch therapierbar. Viele Menschen zweifeln daher an der Rechtmäßigkeit und der moralischen Vertretbarkeit dieser Diagnostik. Frankreich ist eines der wenigen Länder, die einen Schwangerschaftsabbruch zu jedem Zeitpunkt erlauben, wenn der Fötus eine besonders schwere und zum Zeitpunkt der Diagnose als unheilbar geltende Krankheit aufweist. Aber was ist eine 'besonders schwere' Krankheit? Aufgrund dieser absichtlich vage gehaltenen Definition bürdet die Entscheidung über Abbruch oder Fortsetzung der Schwangerschaft Eltern und Ärzten eine schwere Verantwortung auf. So stellt sich zwischen Wissenschaft und Leben die Frage, ob Forscher und Mediziner in der Lage sind, in die Natur einzugreifen, ohne dabei ethische Schranken zu verletzen.