So tickt Europas Jugend

So tickt Europas Jugend

Viele junge Europäer sehen für sich keine Perspektive, finden kaum Jobs und können von einer eigenen Familie nur träumen. Die Folge: Europa droht in vielen Ländern eine ganze Generation zu verlieren. Während die Kluft zwischen Arm und Reich in Europa immer größer wird, wächst der Druck auf die jungen Menschen. Sie müssen leistungsfähiger und flexibler sein als je zuvor. Von der Politik dagegen sehen sich viele im Stich gelassen. Was bedeutet es, wenn sich immer mehr junge Menschen abgehängt fühlen? Wohin führt sie ihr Frust an der Politik? "So tickt Europas Jugend" reist deshalb dorthin, wo die Probleme der Jugend am stärksten zu Tage treten.

Die Reise beginnt in Spanien: Dort sind 53,2 Prozent der Jugendlichen ohne Job - europaweit spitze. Die angekündigte EU-"Jobgarantie" und die Fördergelder der EU sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In ihrem Frust setzen viele Jung-Arbeitslose auf Podemos, eine linke Protestpartei. Sie wird bei der Parlamentswahl in Spanien am 20. Dezember wohl zum Zünglein an der Waage. Offen, mit welchen Folgen für die gerade wieder anspringende spanische Wirtschaft. Viele junge Spanier aber haben das Vertrauen in ihr Land völlig verloren. Sie wandern aus, vielleicht für immer.

Die größte Rate junger Auswanderer in Europa hat Rumänien - mit dramatischen Folgen für die ländlichen Regionen. Rumänische Krankenhäuser müssen dichtmachen, weil tausende Ärzte fehlen, Dorf-Bürgermeister müssen sich um Kinder kümmern, die von anderen ausgewanderten Eltern zurückgelassen werden. Doch es gibt auch Hoffnung: Die IT-Branche boomt in Bukarest. Ein Hauch von Silicon Valley in Rumänien.

Von luxuriösen Arbeitsverträgen können viele junge Briten nur träumen. Sie erhalten Verträge, in denen ihnen null Arbeitsstunden garantiert werden. Knapp 700.000 Briten sind derzeit in diesen so genannten "Zero Hour-Contracts" beschäftigt: Immer auf Abruf, immer bereit, aber ohne jegliche Sicherheit. Denn ein Grundgehalt gibt es nicht. Bezahlt wird nur, wenn Arbeit ansteht. Auf der anderen Seite: Die City of London mit ihren vielen Versicherungen und Banken - beinahe eine Parallelwelt. Hier ist es ganz normal, 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Ein hoher Druck, dem viele junge Briten nicht mehr gewachsen sind.

Auf alle jungen Europäer rollt ein weiteres gewaltiges Problem zu: ein riesiger staatlicher Schuldenberg. Junge Griechen haben dabei die größte Hypothek. 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - so hoch ist die Staatsverschuldung derzeit. Wie geht die junge Generation damit um? Noch im letzten Jahr feierte sie Alexis Tsipras mit seiner linksorientierten Partei Syriza als Hoffnungsträger. Dann aber musste er viele seiner Wahlversprechen zurücknehmen. Zwar wurde Tsipras im September dennoch im Amt bestätigt. Aber viele junge Griechen fragen sich jetzt ratlos, wie es für sie wohl weitergehen wird, wenn die Sparauflagen der europäischen Institutionen umgesetzt werden.

Welche Folgen ein konsequent durchgesetztes Sparprogramm haben kann, erleben die jungen Litauer. Das kleine baltische Land hat europaweit die größte Kluft zwischen Arm und Reich. Mittlerweile zählt Litauens Volkswirtschaft zwar zu den am stärksten wachsenden in der EU, aber für normale Angestellte oder Arbeiter reichen die Löhne gerade so zum Überleben.

Die Reporter, Joana Jäschke und Matthias Ebert, starten und beenden ihre Reise quer durch Europa gemeinsam in Berlin - der Stadt, in die die meisten jungen Europäer immigrieren. Vor allem viele Spanier, Italiener und Griechen suchen hier nach neuen Perspektiven. Doch die Konkurrenz ist groß. Und die Arbeitsverträge, die sie ergattern, sind oft prekär, kurzfristig, ausbeuterisch. Der Traum von einem besseren Leben erfüllt sich längst nicht für alle jungen Zuwanderer. Viele kehren enttäuscht zurück in ihre Heimat.

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