Sexuelle Aufklärung - Einst und heute

Sexuelle Aufklärung - Einst und heute

"Onanieren Sie, das ist besser, als den ganzen Tag frustriert zu sein": Dazu fordert die 91-jährige Dr. Ruth K. Westheimer das Fernsehpublikum gern auf.

Seit rund 50 Jahren hat die Sexualtherapeutin eine Mission: Menschen sexuell aufklären. Der lustvolle Dokumentarfilm von Andrea Pfalzgraf zeigt Archivperlen aus den letzten 50 Jahren Sexualpädagogik und bietet überraschende Einblicke in die Schulzimmer von heute.

Noch nie hatten Menschen jeden Alters so leicht Zugang zu sexuellen Inhalten. Man könnte meinen, heute wüssten alle alles über Sex. Aber weit gefehlt. Wer viel gesehen hat, hat noch nicht unbedingt alles verstanden. "Aufklärung ist peinlich", sagen junge Menschen. Das war in den 1970er-Jahren so - und so ist es noch heute.

Was unter der Bettdecke zwischen Frauen und Männern – Homosexualität war früher nicht vorgesehen – passierte, war bis in die 1960er-Jahre Privatsache. Verschämt und selbst oft nur mit Halbwissen ausgestattet, sollten Eltern ihren Kindern das große Geheimnis der Fortpflanzung und bestenfalls der sexuellen Lust näherbringen. Dabei fehlte ihnen oft das Vokabular. Es gab schlicht keine Sprache dafür.

Mit der sexuellen Revolution 1968 brach dieses Tabu. Daran beteiligt waren unter anderem Aufklärer wie Oswald Kolle und Dr. Ruth Westheimer. Sie sprachen das Wort Vagina und Orgasmus öffentlich aus und stießen einerseits auf heftige Kritik, andererseits waren sie Wegbereiter für eine Gesundheitsprävention, die heute im Lehrplan des Schulunterrichts verankert ist.

Aber trotz über 50 Jahren Aufklärung und Beratung: Sexualpädagogik ist bis heute ein emotional aufgeladenes Thema. Vielleicht auch, weil sich der Fokus der sexuellen Aufklärung heute verändert hat. Es geht nicht mehr nur darum, Gefahren abzuwenden. War das Ziel der sexuellen Aufklärung früher vor allem, Geschlechtskrankheiten oder Teenagerschwangerschaften zu verhindern, will man heute Menschen dazu ermächtigen, mit ihrer Sexualität selbstbestimmt und angstfrei umzugehen. Das ist ein neuzeitliches Phänomen, konservative Kreise stehen diesbezüglich noch immer auf die Barrikaden.

Noch nie war das Aufklärungsangebot für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene so groß. Trotzdem ist eine generelle Unsicherheit geblieben. Sexuelle Bildung ist deshalb noch immer eine Notwendigkeit, sagt die Psychologin Caroline Fux. "Das große Tabu heute ist die Lust."

Bewertung

0,0   0 Stimmen