
Sergej in der Urne
Sergej Stepanowitsch Tschachotin (1883 - 1973), einst bedeutender russischer Naturwissenschaftler und Freund von Albert Einstein, war ein politischer Aktivist, Antifaschist und Frauenheld. Ein Mann, hin und her gerissen zwischen Ost und West und fünf Frauen, denen er acht Söhne hinterließ. Den Sprössling eines Zaren-Botschafters hatte es im Kampf gegen die großen Diktaturen dieser Welt quer durch Europa getrieben. So waren ihm immer wieder Husarenstreiche von historischer Dimension gelungen: Von Deutschland aus schmuggelte er Salpetersäure und Glycerin zum Bombenbau gegen das zaristische Regime nach Russland. Später, in Deutschland, sollte er mit den Mitteln der Massensuggestion gegen die NSDAP vorgehen. Und er floh vor der Gestapo nach Dänemark und folgte Albert Einstein nach London. Nach Stalins Tod kehrte Tschachotin in die damalige UdSSR zurück, erhielt als Erfinder des sogenannten Strahlenskalpells ein eigenes Forschungsinstitut, an dem er bis zu seinem Tod 1973 arbeitete. Sein letzter Wille, in Korsika bestattet zu werden, erfüllte sich bis heute nicht. Tschachotins Urne steht noch im Pariser Wohnzimmerschrank seines Sohns Eugen. Erst der Urenkel wird den letzten Wunsch des Urgroßvaters vorantreiben. Den mäandernden Lebenswegen von vier Generationen folgte der Filmemacher Boris Hars-Tschachotin in dem Dokumentarfilm 'Sergej in der urne' am Schicksal seines Urgroßvaters Sergej Stepanowitsch Tschachotin. Erstmals werden Fotos und Schriften des berühmten Ahnen zusammengetragen, darunter auch bislang unveröffentlichtes Filmmaterial. Boris Hars-Tschachotin studierte an der Humboldt-Universität in Berlin Kunstgeschichte, Philosophie und Theaterwissenschaften. Er arbeitet seit 1997 in einem Produktionsbüro für internationale Kinofilme im Studio Babelsberg und debütierte 2001 mit seinem Kurzfilm 'Lurch'. 'Sergej in der Urne' ist sein erster langer Dokumentarfilm und Gewinner des BLM-Filmpreises 2010 in München.