Schauprozesse - Genossen vor Gericht

Schauprozesse - Genossen vor Gericht

Recht und Kriminalität 

Unter Stalins Regie finden in den Jahren 1936 bis 1938 die berüchtigten Moskauer Schauprozesse statt. Stalin nutzt sie für seinen Machterhalt und die Ausschaltung seiner Rivalen. Er lässt Bolschewiki wie Lenins Mitarbeiter Trotzki, Bucharin und Sinowjew anklagen und zum Tode verurteilen. Das Muster der Prozesse ist immer gleich. Die Angeklagten werden unter Folter zu absurden Geständnissen und Reue gezwungen. Spannendes Archivmaterial der Moskauer Prozesse zeigt die beklemmende Atmosphäre jener Zeit.

Nach dem 2. Weltkrieg werden die stalinschen Schauprozesse in die osteuropäischen Staaten exportiert. Die neuen Satellitenstaaten und ihre kommunistischen Parteien sollen auf Moskauer Kurs gebracht werden. So werden 1949 in Budapest mit Laszlo Rajk und 1952 in Prag mit Rudolf Slansky führende Genossen in öffentlichen Prozessen verurteilt und hingerichtet. In Prag mischt man die Asche der Hingerichteten dem Streusand bei, der vom Winterdienst auf den Ausfallstraßen verteilt wird.

Auch in der DDR soll ein solcher Schauprozess gegen Paul Merker und andere stattfinden. Doch Stalins Tod und der 17. Juni 1953 verhindern den Prozess. Als nach dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 der Parteichef Chruschtschow mit Stalins Verbrechen abrechnet, beginnt in den Ostblockländern das so genannte Tauwetter.

Intellektuelle fordern einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz. In der DDR entwickelte die Gruppe um Wolfgang Harich und Walter Janka im Aufbau Verlag ein Konzept zur Demokratisierung der SED. Als im November 1956 die sowjetischen Truppen den ungarischen Volksaufstand niederschlagen, nutzt Parteichef Ulbricht die Situation und lässt die Gruppe verhaften. 1957 organisiert die Staatssicherheit einen Schauprozess gegen Harich, Janka und andere. Ihre Verurteilung soll die Intellektuellen im Lande einschüchtern und mundtot machen.

Dieser letzte Schauprozess gegen die eigenen Genossen in der DDR kann mit Hilfe der erhaltenen Tonbandprotokolle des Gerichts und der Stasi-Akten als Beispiel eines inszenierten Prozesses dokumentiert werden. In Absprachen zwischen Partei, Staatssicherheit und Justiz stehen die Urteile von Anfang an fest.

Für Walter Janka 5 Jahre und für Wolfgang Harich 10 Jahre Zuchthaus. Erstmals werden für diesen Film die geheimen Tonbandprotokolle des Prozesses von 1957 verwendet. So kann der Zuschauer durch die Originalstimmen des Generalstaatsanwalts Ernst Melsheimer und die der Angeklagten die Atmosphäre dieses Schauprozesses nach über einem halben Jahrhundert authentisch nacherleben. Er hört Harich, als dieser Reue zeigt und der Staatssicherheit für seine Verhaftung dankt, und Janka, der nicht gestehen will. Der Film ist die erste Dokumentation zum Harich/Janka Prozess, die sich ausschließlich auf originale Quellen stützt.

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