
Sachsen-Anhalt Spezial
Im Betonwerk Halberstadt steht die Betriebsfeier an. Der Chef hat sich was Besonderes ausgedacht. 'Der Doktor', wie man den Chef Benjamin Geller hier nennt, stand 2003 vor der Wahl, mit seiner Familie von Bayern nach Vancouver oder Halberstadt zu gehen. Er entschied sich für das Städtchen in Sachsen-Anhalt und will nun wissen, wie das war in der DDR, will wissen woher seine Leute eigentlich kommen. Äußerlich hat sich im Betrieb fast nichts verändert. Das meiste ist einfach so geblieben wie vor 20 Jahren. Die Hallen und Werkstätten, die Betriebskantine, die Büros, sogar die Möbel. Das stößt nicht bei allen Mitarbeitern auf Begeisterung. Ihre Anzahl war Anfang der 1990er-Jahre stark geschrumpft, aber in letzter Zeit hat es keine Entlassungen mehr gegeben. Im Gegenteil, wenn die Auftragslage gut ist, ruft der Chef ehemalige Betonwerker auf Zeit ins Werk. Zu DDR-Zeiten hatten sie Betonfertigteile für Plattensiedlungen in Halberstadt, Magdeburg, Berlin, Eisenhüttenstadt und Wernigerode hergestellt und sich später auf den Industriebau spezialisiert. Die Kollegen von damals erzählen vom Betriebsferienheim und Kinderferienlager auf der Insel Rügen, der alljährlichen Feier zum Tag des Bauarbeiters und vom Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie heute vermissen. In einem Film sind Bilder von Betonwerkern in Uniform, mit Waffe und Gasmaske sowie SED-Abzeichen auf der Betriebsleitungsversammlung zu sehen. Der Film wurde zum 40. Geburtstag des VEB Betonwerk Halberstadt gedreht. Auch die DDR wurde in jenem Jahr 40. Der Titel lautete damals: 'Darauf sind wir stolz'. Worauf war man damals stolz, worauf heute? Wie reagieren die Mitarbeiter, wenn der Chef aus dem Westen ihnen diesen Streifen präsentiert? Die Filmvorführung weckt Erinnerungen auch an die Zeit der Entlassungen, die nicht für jeden ein Neubeginn war.