Papst Franziskus - Revolution im Vatikan?
In diesem Frühjahr wird es zwei Jahre her sein, dass Benedikt XVI. den Papstthron freimachte für einen Nachfolger. Sein überraschender Amtsverzicht öffnete der katholischen Kirche neue Perspektiven. Manche Beobachter sprechen gar von einer Revolution im Vatikan. Als sich am Abend des 13. März 2013 der frisch gewählte Papst Franziskus den Massen auf dem Petersplatz vorstellte, hatte er mit seiner ebenso schlichten wie ergreifenden Art sofort die Herzen der Menschen erobert. Er kam - wie er selbst sagte - "vom anderen Ende der Welt" nach Rom, und es scheint, dass er bis heute dort noch nicht so richtig heimisch geworden ist. Für die Vatikan-Kurie ist Franziskus auch heute noch ein Fremdkörper, eine lebende Provokation. Traditionen und Privilegien stellt er rücksichtslos in Frage. Seinem Hofstaat, allen voran den Kardinälen und Bischöfen, liest er publikumswirksam die Leviten, fordert zu Demut im Amt und zu menschlicher Barmherzigkeit auf. Die Menschen sind begeistert von diesem Papst - viele Bischöfe und Kardinäle bleiben bis heute eher skeptisch. Nach zwei Jahren im Amt gilt es kritisch zu fragen, was hat dieser Papst bisher bewegt? Vor allem aber drängt sich die Frage auf: Was bewegt ihn? Was ist die Theologie, was ist die Botschaft von Papst Franziskus? Hat er ein Programm für die Kirche? Hat er eine theologische Option? Ganz sicher prägt der theologische Begriff der "Barmherzigkeit" wie kaum ein anderer dieses Pontifikat. In seinem Plädoyer für die Barmherzigkeit ist sich Papst Franziskus einig mit dem deutschen Kurienkardinal Walter Kasper, der wenige Monate vor der Papstwahl eine "Theologie der Barmherzigkeit" publiziert hat. So ist es auch kein Wunder, dass Papst Franziskus und Kardinal Walter Kasper eng zusammen arbeiten. Der Papst schätzt den Rat des erfahrenen und fundierten Theologen Walter Kasper. Schon vor Jahrzehnten hatte Kasper mit anderen deutschen Bischöfen einen Vorstoß im Vatikan gewagt, um eine "pastorale Barmherzigkeit" gegenüber Geschiedenen und Wiederverheirateten anzuregen. Damals war Kasper mit seinen deutschen Amtsbrüdern an den Trutzmauern des Vatikans gescheitert. Heute mit seinen über achtzig Jahren erlebt er eine Renaissance, wenn nicht gar eine Revolution im Vatikan. Wohin aber führt der Weg des Franziskus? Welchen Weg wird die katholische Kirche in den nächsten Jahren einschlagen, und wie wird Papst Franziskus mit dem Widerstand umgehen, der sich bei vielen konservativen Klerikern inzwischen aufgestaut hat? Was aber wäre, wenn das "Experiment Franziskus" scheitert? Zweifelsohne: Für die Katholische Kirche steht mit dem Pontifikat von Papst Franziskus viel auf dem Spiel. Über die Theologie des Papstes, über seine Visionen und Hoffnungen, aber auch über die ganz reale Situation in der katholischen Kirche im Frühjahr 2015 unterhält sich Meinhard Schmidt-Degenhard an diesem Sonntagmorgen mit Kardinal Walter Kasper, Rom.