Mordfall Hrant Dink - Die Türkei und ihre Armenier

Mordfall Hrant Dink - Die Türkei und ihre Armenier

Kaum ein Ereignis hat die Türkei in den letzten Jahren so erschüttert wie die Ermordung des Journalisten Hrant Dink und ihre Folgen. Dink, ein türkischer Armenier, Herausgeber der zweisprachigen Wochenzeitung "Agos", wurde am 19. Januar 2007 vor dem Verlagsgebäude erschossen. Das Echo auf diese Tat war weltweit riesig, vor allem auch in der Türkei. Zehntausende Menschen gingen auf die Straße, mit dem Slogan "Wir alle sind Hrant Dink - wir alle sind Armenier". Schnell war klar, dass Dinks Tötung der Endpunkt einer langen, erbittert geführten politischen Verfolgung war.

Hrant Dink hatte als Redakteur Wert darauf gelegt, dass in der Zeitung "Agos" politische und gesellschaftliche Fragen der Türkei offen und kritisch diskutiert wurden. Dazu gehörte auch der Umgang mit den Minderheiten, mit Kurden und Armeniern. Ein besonders heikles Thema war die Vernichtungspolitik gegenüber den Armeniern, deren schlimmste Phase im April 1915 begann, ein Thema, das in der Türkei nicht angesprochen werden durfte. Wiederholt äußerte Hrant Dink die Ansicht, dass der Völkermord an den Armeniern dazu geführt habe, dass dieses Volk in der Türkei "ausgemerzt" worden sei. Wegen angeblicher "Beleidigung des Türkentums", so der Straftatbestand, wurde Hrant Dink immer wieder angeklagt und zur Zielscheibe nationalistischer Hetze gemacht.

Seine Ermordung, die schnell als Tat eines einzelnen minderjährigen Täters abgetan werden sollte, hat dann aber - sicher ganz anders als gedacht - zu einer Veränderung des gesellschaftlichen Klimas in der Türkei geführt. Der Genozid an den Armeniern, der sich 2015 zum hundertsten Mal jährt, kann allmählich thematisiert werden, ebenso wie die jahrzehntelange Diskriminierung der armenischen Minderheit - vielleicht ein wichtiger erster Schritt hin zu einer Normalisierung.

Der vielfach ausgezeichnete Filmemacher Osman Okkan zeichnet in seiner Dokumentation den Lebensweg und die Ermordung Hrant Dinks nach, folgt den Etappen der mühseligen Wahrheitsfindung im Prozess und zeigt Menschen, die sich von Dinks Mut inspiriert fühlen, das Thema des Völkermords an den Armeniern in die Öffentlichkeit zu tragen, vom jungen Journalisten bei "Agos" bis zum Regisseur Fatih Akin, dessen Film "The Cut" vor dem Hintergrund der Ereignisse von 1915 spielt und gerade auch in der Türkei gezeigt worden ist.

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