Mit dem Enkel auf Fangfahrt

Mit dem Enkel auf Fangfahrt

Von einem Tag auf den anderen steht der Lübecker Fischer Karl Heinrich Bülk (70) ohne Helfer da - und das ausgerechnet Mitte März, als die Heringsschwärme in Massen die Trave hochziehen. Sein langjähriger Mitarbeiter ist krank geworden, fällt für längere Zeit aus. Karl Heinrich Bülk, Ältermann der Gothmunder Fischer, muss morgens um fünf alleine raus mit seinem acht Meter langen Kutter 'Seehund'. In den geschützten Trave-Buchten holt der Fischer an diesem Tag sechs Zentner Hering aus den Stellnetzen. Als er kurz nach Sonnenaufgang wieder in den Hafen einläuft, muss ihm seine Frau helfen, die vielen Heringe aus den Netzen zu pulen. Auch Antje Bülk (67) stammt aus einer alten Gothmunder Fischerfamilie. Normalerweise packt sie nur dienstags und donnerstags mit an. An den beiden Verkaufstagen holen sich die Stammkunden den frischen Travefisch persönlich ab - viele bleiben auch auf einen Klönschnack. Noch vor Schulbeginn kommt auch Enkel Moritz (12) kurz am Bootssteg vorbei, um den Fang zu begutachten. Er verbringt jede freie Minute bei seinem Großvater an Bord, um zu helfen. Bülks große Hoffnung ist, dass sein Enkel Fischer werden könnte - denn sein Sohn hat nach vier Fischergenerationen die Tradition unterbrochen, er ist Lehrer geworden. Gothmund, der 500 Jahre alte, idyllische Naturhafen hinter dem Schilfgürtel der Trave, ist neben dem Schleswiger Holm die einzige authentische Fischersiedlung in Schleswig-Holstein. Hier gibt es keine Straßen, nur den schmalen 'Fischerweg' zwischen den reetgedeckten Fachwerkkaten, die fast alle unter Denkmalschutz stehen. Im September, wenn die Aalsaison beendet ist, kommt Karl Heinrich Bülks großer Auftritt als Ältermann der Fischerzunft. Beim traditionellen 'Krugtag' wird das alte Zinngeschirr aus dem Lübecker St. Annen Museum geholt, mit reichlich Bier gefüllt und rumgereicht. Mit deftigen Trinksprüchen, 'Hänselverse' genannt, werden Zwistigkeiten und Probleme zwischen den Fischern aufgearbeitet.

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