Meisterwerke des Stummfilms
ARTE bleibt seinem Engagement in Sachen "Stummfilm" treu. Über ZDF/ARTE engagiert sich der Sender bei Restaurierungen und Neukompositionen/Neueinspielungen von Filmmusiken, die als Live-Events bei der Berlinale und anderswo in Festspiel- oder Konzerthäusern ihre glanzvolle Premiere erleben. Auch die ARD erwirbt Stummfilmlizenzen für ARTE; insgesamt hat der Sender pro Jahr acht Stummfilme im Programm, die nicht nur von der Fachwelt Beachtung finden. Erinnert sei an den Fritz-Lang-Film "Metropolis", der in seiner wiederentdeckten Fassung bei der Berlinale, beim Public Viewing am Reichstag mitten in der Februar-Kälte und live auf dem Sender ein beachtliches Zuschauerpotenzial hatte.
Höhepunkt des Programmschwerpunkts jetzt im Herbst ist "J'accuse" von Abel Gance, ein Klassiker des pazifistischen Films. Das zweiteilige Epos entstand 1918 noch auf den Schlachtfeldern von St. Mihiel bei Verdun und führt in eindrucksvollen Bildern die Agonie des Krieges vor Augen. Entsprechend wurde der Film zensiert. Für die nach Restaurierung fast vollständige Fassung schrieb der französische Komponist Philippe Schoeller eine Film-Symphonie für großes Orchester und virtuellen Chor, die am 8. November ihre Premiere in Paris hat. Auf ARTE läuft der Film nur drei Tage später am 11. November, an dem vor 96 Jahren im Jahr 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde.
Eröffnet wird der Programmschwerpunkt am 27. Oktober von einem deutschen Film: "Der Turm des Schweigens" ist eine interessante Wiederentdeckung aus der Reihe der technisch hochentwickelten Ufa-Produktionen Mitte der 20er Jahre. Seinen Stellenwert hat der Film durch seine Bauten und die exzellente Kamera-Arbeit von Günther Rittau, der durch seine Trickaufnahmen für Fritz Langs Nibelungen-Epos Bekanntheit erlangte. Der Film ist eine spannende Mischung aus Melodram, Mystery-Thriller und Abenteuerfilm.
"Unter der Laterne" (1928) ist ein Film des Gründers der Deutschen Kinemathek, Gerhard Lamprecht, der anlässlich ihres 50-jährigen Jubiläums digitalisiert wurde und nun in HD zu sehen ist. Der Abstieg der Protagonistin Else vom Varieté zum Straßenstrich steht stellvertretend für unzählige junge Frauen, deren Sehnsucht nach Aufstieg und etwas Glamour an den moralischen und ökonomischen Gegebenheiten der Gesellschaft zerbricht. Ein Gesellschaftsbild der Großstadt in den 20er Jahren. Bernd Schultheiss kombinierte für seinen neuen Soundtrack Kammermusik mit Jazz-, Pop- und Rockelementen.
Robert Flaherty (1885-1951) gilt als Pionier des Dokumentarfilms, obwohl seine Filme inszeniert sind. "Nanuk, der Eskimo" entstand 1920 und 1921 in äußersten Norden Kanadas. Er ist kein Porträt des von ihm inszenierten Inuits, der quasi sich selbst spiele, sondern zeigt das traditionelle Leben, das sich infolge der Erschließung des Landes schon weitgehend verändert hatte. 1923/24 entstand in Polynesien der Dokumentarfilm "Moana". Flaherty versuchte, die Kultur Samoas im Film festzuhalten und inszenierte Rituale nach, die durch Kolonialismus und Missionierung schon verdrängt waren. ARTE präsentiert den Film in einer ursprünglich von Flaherty intendierten und von seiner Tochter in den 80ern realisierten vertonten Fassung.
"Der dreiflügelige Spiegel" ist ein knapp 40-minütiger Film des Surrealisten Jean Epstein, dem die Cinémathèque Française in diesem Jahr eine Ausstellung gewidmet hat. Alle Filme sind restaurierte Fassungen mit neuer Musik und deutsche Erstausstrahlungen.