Mein Vater ist jetzt eine Frau

Mein Vater ist jetzt eine Frau

Das rote Lederjäckchen geht gar nicht, findet der 18-jährige Raoul: 'Oh nee, damit fällst du ja noch mehr auf.' Es gibt schon genug Veränderungen, die Raoul irritieren, nerven, ängstigen: dass sein Vater sich neuerdings schminkt, eine Damenperücke trägt, sorgsam jedes Barthaar epiliert, dank Hormongaben eine Brust bekommt. Und dann noch diese Kleidungsstücke, die er vom Shoppen heimbringt - aus der Damenabteilung natürlich. 'Manche denken, Papa sei ein Transvestit.' Raoul weiß es besser: Sein Vater ist transsexuell. Nur nach außen hin war er 40 Jahre lang ein sehr männlicher Mann. So wie auf dem großen, gerahmten Foto, das er im Kinderzimmer aufbewahrt. Eine Rolle, ein Gefängnis, ein Lügengebäude. Seit einem halben Jahr lebt Raouls Vater Stefan offen als Stefanie. Und Raoul hat sich nach der Trennung der Eltern entschieden, bei 'ihm' zu bleiben. Aber raus gehen Vater und Sohn nur noch selten gemeinsam, und auch zu Hause vermisst Raoul die 'gemütlichen Männerabende von früher'. Um Katja ist es einsam geworden. 'Ein schmerzhafter Prozess', sagt die aparte 53-Jährige und sehnt sich nach ihren Kindern und den Enkeln, die sie zurzeit nur selten zu Gesicht bekommt. Ihre Tochter hat den Kontakt zu Katja, ihrem transsexuellen Vater abgebrochen - auf unbestimmte Zeit. 'Ich habe ihr mit meinem Coming out vor vier Jahren den Vater genommen - und dem trauert sie immer noch nach.' Mit ihren Kunden hingegen hat die Softwareberaterin den Wechsel gut hinbekommen. 'Ich habe mich in den Firmen als Mann verabschiedet und alle darauf vorbereitet, dass beim nächsten Termin eine Frau kommt.' Katja hat keinen ihrer Kunden verloren. Sie könnte glücklich sein, 'aber das kann ich erst, wenn auch familiär die Dinge wieder im Lot sind.' Für den 20-jährigen Steven ist es eine Selbstverständlichkeit, von Berlin nach München zu fahren, um Jacqui dort aus dem Krankenhaus abzuholen. Seine 'Mutti zwei', wie er heute sagt.

Bewertung

0,0   0 Stimmen