Mein Vater, der Gastarbeiter

Mein Vater, der Gastarbeiter

Der Kurde Yüksel Yavuz beschreibt in seinem poetischen Dokumentarfilm die Folgen der Entscheidung seines Vaters, als Gastarbeiter nach "Germanistan" zu gehen. 1968 kam Cemal Yavuz aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Deutschland. Er kam als einer von Tausenden so genannter Gastarbeiter. Zu jener Zeit hatte es sich in der gesamten Türkei herumgesprochen, dass in Deutschland Arbeitskräfte für die Industriearbeit gebraucht werden. Berater großer deutscher Firmen und Ärzte bildeten Auswahlkommissionen, um kräftige Männer auszusuchen und den großen Industriestandorten zuzuführen. Für Cemal Yavuz war es Hamburg. Er arbeitete zunächst ein Jahr in einer Fischfabrik, danach 15 Jahre in einer Werft. In dieser Zeit sah er sein Heimatdorf und seine Familie einmal im Jahr, zur Urlaubszeit. Nachdem er zwei seiner Söhne als seine Nachfolger nach Deutschland geholt hatte, hielt er es schließlich nicht länger aus und kehrte 1984 zur Zeit der Rückkehrfördermaßnahmen, von denen er allerdings nicht profitieren konnte, in sein Dorf zurück. Er besaß keinerlei Anspruch auf Altersversorgung. In der Osttürkei lebt er zusammen mit seine Ehefrau nach sechzehnjähriger Trennung wieder als Bauer. Doch der Traum vom besseren Leben nach der Rückkehr kollidierte mit einer Realität, die ganz anders war, als die, die er vor 16 Jahren verlassen hatte. Das betraf nicht nur die persönlichen Beziehungen, auch die Situation im Dorf hatte sich verändert. Die meisten jungen Leute waren weggezogen, die Zuhausegebliebenen lebten unter der ständigen Bedrohung durch die türkische Armee. Auch ein großer Teil der eigenen Familie, Kinder und Enkelkinder, lebte nun fern der Heimat, in Deutschland. Leben zwischen den Welten Yüksel Yavuz ist nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Er ist nicht wie dieser Arbeiter geworden, und er lebt und arbeitet nicht für ein besseres Leben nach der Rückkehr in die Heimat. Aber er kennt die gegensätzlichen Welten, die das Leben seiner Eltern, sein eigenes Leben und das vieler anderer ausländischer Familien bestimmen. Er hat erfahren, wie der Begriff Heimat aus der Ferne immer mehr die Konturen einer Welt von Wunsch und Traum, von Sehnsucht und Phantasie annimmt. Yüksel Yavuz ist Regisseur geworden und hat daran gearbeitet, die Spuren aufzuzeichnen, die ein Leben zwischen den Welten, zwischen Deutschen und Kurden, zwischen "Heimat" und "Fremde" in den Menschen hinterlässt. Seine Aufzeichnungen sind zugleich ein sehr persönliches Dokument, eine eigene Standortbestimmung und ein Zeugnis für die "dritte Generation", die Enkelkinder der ehemaligen Gastarbeiter. Dies ist der vorletzte Film der Reihe "Unter dem Halbmond". Es folgt "Vor der Hochzeit" von Antonia Lerch am 29. August 2005.

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