Kurzer Prozess - Eine Seefahrt in den Stasiknast

Kurzer Prozess - Eine Seefahrt in den Stasiknast

Der Teenager Jürgen Wiechert (18) soll für acht Jahre ins Zuchthaus. Aber er ist völlig unschuldig. Der Prozess gegen ihn und seine Freunde beginnt am 22. August 1961 im Rostocker Bezirksgericht. Keine vier Tage später schon das gnadenlose Urteil - im Namen des Volkes - wegen planmäßiger und staatsgefährdender Nötigung und Hetze. Jürgen und sein Freund, Dietrich Gerloff (25), werden als 'Rädelsführer' weggesperrt. 'Der ganze Prozess war eine Farce', sagt Gerloff heute. 'Die SED-Diktatur hat kurz nach dem Mauerbau ein Exempel statuiert. Hier ging es eindeutig gegen die Junge Gemeinde der evangelischen Kirche in der DDR und gegen jeden, der frei bestimmt leben wollte.' Fünfzig Jahre später: Im Sommer 2011 gehen fünf junge Mecklenburger auf Spurensuche. Sie erkunden, warum ihre Altersgefährten damals überhaupt in solch eine dramatische Situation gekommen sind, wie sie in die Fänge der Staatssicherheit gerieten. Am Ostseestrand von Usedom treffen die Spurensucher den heute pensionierten Lehrer Dietrich Gerloff. Er erzählt von einer Seereise seiner Jugendgruppe aus Berlin-Schmöckwitz vor die dänische Küste Bornholms. Als wegen hoher Wellen und starkem Seewind der Kapitän den Kurs ändert, kommt Jürgen Wiechert auf die Idee, einen lustig gemeinten Zettel an 'seine Majestät, dem Herrn Admiral' zu schreiben. Sogar 'Neptun' unterzeichnet diese witzige Bitte, auf Bornholm-Kurs zu bleiben. Was dann folgt, ist unglaublich. Die Funkstation Rügen-Radio erhält einen Notruf, setzt die Volksmarine in Bewegung. Staatssicherheit und SED-Partei melden abenteuerliche Berichte über eine Schiffsentführung. In Sassnitz werden die Jugendlichen brutal verhaftet und abtransportiert in den Stasiknast nach Rostock. Im folgenden Schauprozess ist sogar von Mordhetze die Rede. Der Fall ist noch vor den Vernehmungen in Rostock Gegenstand einer Lagebesprechung zum Mauerbau in Ostberlin, geleitet von Erich Honecker. Akten der Staatssicherheit dokumentieren zweifelsfrei Absprachen zwischen Geheimdienst, Staatsanwaltschaft und Richter.

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