Kanada. Auf Eisstraßen zum Polarmeer

Kanada. Auf Eisstraßen zum Polarmeer

LandschaftsbildD  

Seit Jahrzehnten werden im hohen Norden Kanadas jeden Winter Fahrbahnen auf den gefrorenen Flüssen und Seen angelegt. Über Hunderte Kilometer verbinden diese Eis-Highways in den Northwest Territories abgelegene Dörfer mit der Außenwelt. Sie führen in eine menschenfeindliche Urwelt am Rand des Polarmeers, wie sie in Europa kaum noch vorstellbar ist. In eine wilde, abweisende Natur, die aber in ihrer eisigen Schönheit tief beeindruckt. Nur für einige Monate gibt es diese Pisten jenseits des Polarkreises, ehe sie mit der Schneeschmelze im April wieder versinken.

Straßenbauer wie Kurt Wainman beginnen gegen Anfang Dezember damit, die Eisdicke auf dem Fluss vor Inuvik zu messen. Mindestens 70 Zentimenter muss das Eis auf dem Mackenzie River stark sein, damit der Bau beginnen kann, mindestens 107 Zentimeter muss es messen, damit große, bis zu 40 Tonnen schwere Trucks mit Anhängern und voller Ladung auf den Eisstraßen fahren können. Im Januar und Februar, wenn die Temperaturen bis auf minus 50 Grad sinken, wächst das Flusseis aber sogar manchmal auf mehr als zwei Meter Dicke an.

Die wenigen Monate, in denen die Eis-Highways bestehen, bedeuten für die Menschen im weiten Delta des Mackenzie River in Kanada die beste Reisezeit des Jahres. Dann können sie zum Einkaufen in der Stadt nach Inuvik fahren und bei Festen wie dem Muskrat Jamboree Verwandte und Freunde treffen. Inuit und Dene-Indianer sind es meist, aber auch zugewanderte Weiße, die bei diesen Dorffesten gerne mitmachen. Temperaturen von minus 20 Grad können dabei die abgehärteten Locals nicht davon abhalten, im Freien zu feiern. Tagsüber werden sportliche Meisterschaften wie Motor- und Hundeschlittenrennen ausgerichtet - aber auch skurrile Wettbewerbe wie Bisamrattenhäuten. Abends trifft man sich in der großen Sporthalle der Schule Inuviks zu traditionellen Trommeltänzen und einem Festmahl mit gebratenen Wildgänsen und Karibu-Eintopf.

Das Kamerateam beginnt die Fahrt in den Norden auf dem legendären Dempster Highway, der vom einstigen Goldgräberort Dawson City im Yukon 700 Kilometer weit nach Norden in die Northwest Territories nach Inuvik führt, dem Versorgungsort der Region. Dort beginnen die Eisstraßen ins Delta des Mackenzie River und hinaus bis ins Polarmeer zum Inuit-Ort Tuktoyatuk. Familien und Trucker nutzen sie, aber auch Jäger, Rentierzüchter und sogar der Pfarrer von Inuvik, der im Winter seine abgelegenen Kirchengemeinden gut über das Eis erreichen kann.

Doch die Ära der Eis-Highways neigt sich dem Ende zu. Eine neue Schotterstraße wird ganzjährig Inuvik mit Tuktoyaktuk am Eismeer verbinden, nur einige kürzere Strecken werden in Zukunft noch auf dem Eis angelegt werden. Das bedeutet Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung einerseits, doch andererseits werden mit den Eisstraßen auch lieb gewonnene Traditionen verschwinden - und die Möglichkeit auf dem blanken Eis des gefrorenen Polarmeers zu fahren.

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