Ich liebe das Leben trotzdem

Ich liebe das Leben trotzdem

2011 erhält der Regisseur und Drehbuchautor Wolf Gremm die Diagnose - Prostatakrebs. Nach Einschätzung der Ärzte hat er nicht mehr lange zu leben, vielleicht Monate, vielleicht ein Jahr. Wolf Gremm wird durch diese niederschmetternden Nachrichten mitten aus einem aktiven, erfüllten Leben gerissen, aber er beschließt, offensiv mit der Krankheit umzugehen - und zu kämpfen. Fortan ist das Smartphone oder eine Mini-Kamera sein ständiger Begleiter. Für Wolf Gremm wird die Dokumentation darüber, was der Krebs mit ihm macht, das Festhalten intimer Momente des Schmerzes, der Angst aber auch der Hoffnung zur vielleicht besten Therapie. Gremm versteckt sich nicht, sondern akzeptiert den Krebs als einen Teil von ihm selbst. Einblicke, die viele nicht mit der Außenwelt teilen wollen, hält er fest - authentisch und schonungslos. Wir sehen, wie sein Arzt ihm die Röntgenaufnahmen seiner Metastasen zeigt, sowie Momente während der kräftezehrenden Chemotherapie. Auch die letzten Sekunden vor einer entscheidenden OP sind mit der Mini-Kamera fest gehalten und die Minuten, nachdem er aus dem Koma erwacht. Seine Frau, die Filmproduzentin Regina Ziegler, steht ihm zur Seite und lässt keine Therapie unversucht. Nach einem beinahe fatalen Zusammenbruch während eines Urlaubs in Miami, filmt sie ihn sogar, während er im Koma mit den Dämonen kämpft - wohl wissend, er hätte sie ausgeschimpft, hätte sie dies unterlassen! Die Frage nach dem, was bleibt, beschäftigt Wolf Gremm. Er erinnert sich an die Sternstunden in seinem Leben, zeigt zahlreiche, berührende Fotos aus seinem Privatleben mit Regina Ziegler, deren Tochter Tanja und seinen Freunden und Kollegen. Unvergessen sind natürlich die Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder und die Freundschaft, die die beiden Filmemacher miteinander verband. Ausschnitte aus "Kamikaze 89" und ein Interview mit Fassbinder dokumentieren dies. Dass Leben und Tod eine unwiderrufliche Symbiose miteinander eingehen, hat den Regisseur Wolf Gremm schon immer beschäftigt. In zahlreichen Filmausschnitten vergegenwärtigt Gremm sich quasi selbst, dass das, was er jetzt selbst durchlebt, seine Filmfiguren schon vor ihm durchmachten. Gremm reist zurück an die Orte seines Schaffens - fliegt mit seiner Frau nach Amerika, um noch einmal auf den Spuren seiner kreativen Vergangenheit durch das Death Valley zu wandeln. Sein Freund, der Schauspieler Scott Wilson, filmt ihn dabei, wie er unter Tränen versucht, eine Art Vermächtnis in die Kamera zu sprechen. "Ich liebe das Leben trotzdem" gibt dem Betrachter aber neben all den bewegenden, emotionalen Momenten auch viele Anlässe zum Schmunzeln. Wolf Gremm kann selbst widrigen Situation durch einen humorvollen Kommentar eine gewisse Ironie abringen. Er spricht Empfehlungen aus, wie, sich lieber das Essen von Zuhause ins Krankenhaus liefern zu lassen und dass der Beutel eines vorrübergehender, künstlicher Darmausgang erträglicher ist, als ein Zettel am Zeh. Alles in allem will dieser "Selfie-Film" Mut machen, Trost spenden und dazu anregen mit dem Krebs zu leben, anstatt "nur" daran zu sterben. Wolf Gremm zu seinem Film: "Nach meiner Krebsdiagnose habe ich nach einer Art "Gegengift" gesucht, das mir die Möglichkeit gibt, dieser Diagnose und der Krankheit auch auf künstlerischer Weise zu begegnen. Als Regisseur lag es da natürlich nahe, einen Film zu machen. Anders als in den 50 Filmen meiner beruflichen Laufbahn bin ich dieses Mal mein eigener Hauptdarsteller. Dieser Film soll allen Betroffenen, allen Angehörigen Mut machen, nicht aufzugeben. Er soll durchaus auch unterhalten und ein Schmunzeln erzeugen, denn im Optimismus liegt die größte Kraft. Seit ich todkrank bin, lebe ich umso mehr nach der Devise, keinen Tag ohne Freude, ohne Hoffnung, ohne Lachen zu verbringen." Der Berliner Regisseur Wolf Gremm, der am Dienstag im Alter von 73 Jahren starb, setzte über Jahrzehnte wichtige Akzente im bundesdeutschen Kino und im Fernsehen.

Bewertung

0,0   0 Stimmen