Heute war damals Zukunft

Heute war damals Zukunft

Film von Gunther Scholz Es war eine Vertretungsstunde, die Lehrerin Bärbel Spengler, damals 24, in einer 9. Klasse in Magdeburg halten sollte. Sie war unvorbereitet und flüchtete sich in eine Idee. Sie ließ die Klasse einen Aufsatz schreiben mit dem Thema: 'Wie stelle ich mir mein Leben im Jahr 2010 vor?' Dass die Lehrerin das Jahr 2010 wählte, geschah mit Bedacht: zu üblich war es in den DDR-Schulen geworden, über die Jahrtausendwende nachdenken zu müssen und relativ nah war das Jahr 2000 auch schon. Die Lehrerin hat diese Aufsätze aufbewahrt, auch über die Nachwendejahre, die das Leben der DDR-Bürger radikal veränderten. Die Aufsatzschreiber aus Magdeburg standen 1989 am Anfang ihres Berufslebens. Die meisten hatten gerade ausgelernt, einige das Abitur abgelegt. Der Dokumentarfilm 'Heute war damals Zukunft' begibt sich auf die Suche nach den Aufsatzschreibern von damals. Sie sind inzwischen längst im Beruf, alle um die 40 herum. Fast alle wurden gefunden. An den Aufsatz erinnern konnte sich keiner mehr. Nun werden sie vor der Kamera mit ihren damaligen Texten konfrontiert. In Kurzporträts von knapp der Hälfte der damaligen Klasse zeigt der Film deren Privat- und Berufsleben. Wie sind sie angekommen im größer gewordenen Deutschland? Fast alle sind im Raum Sachsen-Anhalt verblieben. Nur vier leben in anderen Bundesländern, eine hat gerade von Ost nach West gewechselt. So ist der Film am Beispiel dieser eher zufälligen Gruppe auch eine interessante Momentaufnahme vom Leben in der ostdeutschen Provinz, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung: Geschichten von Menschen aus dem 'Land der Frühaufsteher', wie Sachsen-Anhalt die Autobahn-Nutzer begrüßt oder verabschiedet. Zugleich ermöglicht der Rückblick auch das Bild einer schon 1985 weitgehend entpolitisierten, unangepassten DDR-Jugend - im Kontrast zu den Klischeebildern einer nur systemkonformen Generation im damals sozialistischen Teil Deutschlands.

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