Herr M., 1968

Herr M., 1968

Nach dem Tod eines Mannes werden in dessen Haus Tagebücher gefunden, in denen er - vermutlich das ganze Leben hindurch - seinen Alltag niedergeschrieben hat. In filigraner Handschrift hat er auch für das Jahr 1968 alle Details minuziös notiert. Darunter sind Anmerkungen zu Fernsehsendungen über den Fortschritt der Technik und eine vielversprechende Zukunft, zu einem langen Spaziergang mit der Mutter, zu kleinen Ereignissen in der kartographischen Abteilung des Nationalen Geographischen Instituts, in dem Herr M. arbeitete, oder zu einer simplen Kühlschrankpanne. Insgesamt spiegeln diese Aufzeichnungen ein sehr geregeltes Leben wider. Doch plötzlich dringt Anfang Mai 1968 das Echo einer Welt im Aufruhr in die Tagebuchseiten vor: Demonstrationen, Krawalle und Generalstreik - auch im Institut wird für die Arbeitsniederlegung gestimmt. Der Aufruhr im Mai 1968 bringt das wohlgeordnete Leben des Herrn M. durcheinander. Wird er sich mitreißen lassen? Herr M. erlebt das Jahr 1968, wie er 1967 erlebt hat und wie er 1969 und 1970 erleben wird. Dabei behauptet er sich in seiner Einzigartigkeit und in seinem pedantischen Bedürfnis nach geregelten Abläufen, nach Ordnung und Zahlen. Von der Figur des Herr M. ausgehend, wird das Spannungsfeld zwischen Ordnung und Unordnung thematisiert - auf geistiger und gesellschaftlicher Ebene. Durch die Auseinandersetzung mit Konzepten wie Arbeit (im Geographischen Institut), Demokratie (Videoüberwachung und Fernsehen) oder auch städtischem Raum zeichnet der Dokumentarfilm ein Bild der französischen Gesellschaft von der Zeit vor 1968 bis heute und hinterfragt gleichzeitig Fortschritt, Modernität und Entfremdung.

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