Heidschi Bum Beidschi

Heidschi Bum Beidschi

Die 50er und 60er Jahre gelten als das goldene Zeitalter des deutschen Schlagers. Die Deutschen haben gerade den 2. Weltkrieg mit einer totalen Niederlage beendet und gelten nach der Aufdeckung der Nazi-Verbrechen als Sinnbild des Unmenschen. Das anschließende deutsche Wirtschaftswunder lässt die materiellen Sorgen der Kriegs- und Nachkriegsjahre zwar schnell vergessen, aber die seelischen Wunden brauchen länger. Dieses emotionale Vakuum können deutscher Schlager und die deutsche Filmindustrie der Nachkriegszeit perfekt ausfüllen. Die als unangenehm und kalt empfundene Wirklichkeit der harten Wiederaufbauarbeit der Nachkriegsjahre und die Kriegstraumata werden einfach ausgeblendet und ein Volk zieht sich nahezu kollektiv in eine heile Scheinwelt zurück. Im Schlager werden all jene Gefühle besungen, die man im Alltag so vermisst. Als die Mehrzahl der Deutschen zur Erholung bestenfalls an den nächsten Baggersee fahren konnte, träumt die Volksseele vom Urlaub am Mittelmeer. Italien - und später Spanien bzw. Mallorca - wird zum mythischen Traumziel der Deutschen. Dabei ist diese Weltflucht des deutschen Schlagers keine Erfindung der Nachkriegszeit, sondern gehört seit den ersten Gassenhauern in den 20er Jahren zum Wesen des deutschen Schlagers. Diese Eigenschaft nutzen auch die Nationalsozialisten, um die Bevölkerung ruhig zu stellen, insbesondere als statt rascher Siege im Weltkrieg nur noch vernichtende Niederlagen zu vermelden sind. Und der Bevölkerung verschaffen die Traumwelten des Schlagers eine kleine Verschnaufpause im täglichen Bombenhagel. Dieses kollektive Bedürfnis nach einer bewussten Flucht in eine scheinbar bessere, heile Welt hat den Schlager auch bis heute überleben lassen, auch wenn er ab Mitte der 60er Jahre jahrelang harten Anfeindungen ausgesetzt war.

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