Gutmenschen und Leitkultur

Gutmenschen und Leitkultur

Gesellschaft und Soziales 

Die Kölner Neujahrsnacht brachte die Ernüchterung: Deutschland ist zurück in der Wirklichkeit und auch Flüchtlinge sind nur Menschen, manchmal sogar böse. Die Stimmung im Land droht zu kippen, neben große Hilfsbereitschaft und Zuversicht sind Angst und Ablehnung getreten. Toleranz und Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen werden als naiv und weltfremd verhöhnt. Stattdessen wird die Debatte von der Forderung nach harten Strafen, nach schneller Abschiebung und geschlossenen Grenzen bestimmt. Der Flüchtling ist über Nacht vom Hilfsbedürftigen zum bösen Täter geworden. Die sexuellen Übergriffe von Köln haben gezeigt, dass nicht alle Menschen, die vor Verfolgung und Armut fliehen, Engel sind. Immer häufiger wird jetzt über die Sexualmoral der Migranten, über patriarchalische Strukturen und über das Frauen- bzw. Männerbild in muslimisch geprägten Kulturen gesprochen Dies alles hätte man bei vernünftiger Überlegung sicher schon vorher wissen können - würde doch auch niemand auf die Idee kommen, zu behaupten, dass sogenannte Bio-Deutsche an sich und für sich gute Menschen sind. Aber es gibt sie dennoch - die sogenannten "Gutmenschen". Das Unwort des Jahres 2015 heißt nun auch "Gutmensch", vor wenigen Tagen gekürt von einer Jury von Sprachkritikern. Ein anderes politisches Schlagwort macht aktuell auch wieder die Runde: Leitkultur! Was hat es auf sich mit unserer deutschen, unserer europäischen Leitkultur? Haben wir unsere eigenen Werte, das Fundament, auf dem wir stehen, selbst sträflich vernachlässigt, wenn nicht gar verleugnet? Welches Bekenntnis zu welcher Leitkultur dürfen, ja müssen wir von Flüchtlingen erwarten, die in unser Land kommen? Wo hört das Verständnis für fremde Kulturen auf, wo liegen die Grenzen der multikulturellen Vielfalt? Die Ereignisse von Köln und an anderen Orten in der Neujahrsnacht haben zwar nicht alles verändert, aber vieles in Frage gestellt. Auf der anderen Seite fühlen sich nach Köln viele Bürger auch in ihren Vorurteilen und in ihrem Hass gegenüber den Muslimen hierzulande bestätigt. Rassistische und antiislamische Kommentare in sozialen Netzwerken nehmen dermaßen zu, dass einige Zeitungen ihre Foren schließen. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland sah sich sogar gezwungen, aufgrund der Fülle der Drohanrufe vorübergehend die Telefonanlage abzustellen. Nach der Euphorie der vergangenen Monate ist mit der Neujahrsnacht die Ernüchterung eingekehrt. Doch ist der innere Frieden wirklich in Gefahr? Ist unsere Kultur wirklich bedroht? Ist Deutschland tatsächlich überfordert mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen? Vor allem aber: Was ist das überhaupt - Integration ... und wie macht man das? Kann man aus der Vergangenheit lernen? Gilt das "Wir schaffen das!" nicht mehr, weil sich einige hundert, zumeist junge Flüchtlinge, daneben benommen haben? Kann man diese Untaten mit Sprach- und Integrationskursen unterbinden? Und wiegt die Not der anderen Menschen, die zu Hunderttausenden bei uns Hilfe suchen, nach den Ereignissen von Köln nun weniger? "Horizonte" blickt auf die Folgen von Köln. "Horizonte" fragt, wie es weitergehen kann mit der Integration? Wie wichtig sind bei alldem "Gutmenschen" und "Leitkultur"? Zum Gespräch ins Studio eingeladen: die muslimische Publizistin Khola Maryam Hübsch und der Islamologe und Politikwissenschaftler Bassam Tibi, der einst den Begriff der 'Leitkultur' in die deutsche Debatte eingebracht hat.

Bewertung

0,0   0 Stimmen