
Gott im Freibad
Um 05:45 Uhr versammeln sich täglich eine Handvoll Menschen - Anzugträger mit Krawatte, eine gertenschlanke Mittsechzigerin, Männer mit Handtüchern um den Bauch auf der Offenbacher Rosenhöhe. Sie alle warten darauf, dass sie auch an diesem Morgen, Punkt 06:00 Uhr, ihre Bahnen ziehen können. Im Waldschwimmbad Rosenhöhe tauchen alle ab: Ob christliche Leistungsschwimmer, muslimische Schwimmanfänger, Nichtschwimmer mit russisch-orthodoxen Großmüttern, Sinti- und Roma-Familien, Juden und Atheisten gleichermaßen. Gleiten die Disziplinierten mit elegantem Kopfsprung ins kühle Nass, so platschen die Anarchisten regelwidrig mit einem Bombensprung vom Beckenrand. Doch in Badehosen, Schwimmeranzügen und Burkinis sind die Besucher des Waldschwimmbades Rosenhöhe beinahe alle gleich. Was sie unterscheidet - ob Religion und Lebensweise oder Sportabzeichen und Schwimmstil, davon erzählt die Reportage. Für einen Tag begleitet der Film Mitarbeiter und Besucher des Waldschwimmbades Rosenhöhe. Da ist zum Beispiel Irmgard Arnold, die beherzte Mittsechzigerin und Vorstandsmitglied im Schwimmverein. Täglich zieht sie ihre Bahnen und sieht bei Regen oder Sonnenschein nach dem Rechten. Hilft sie an der Kasse aus, macht ihr niemand etwas vor, weder die marokkanischen Halbstarken noch die Sinti- und Roma-Familien. Das Talent und den Fleiß der serbischen Putzfrau hingegen erkannte sie sofort und verhalf der Langzeitarbeitslosen im Schwimmbad zur Festanstellung. Auch Francesco Schiangula kennt das Waldschwimmbad wie seine Westentasche, selbst wenn der Sizilianer vermutlich der Einzige ist, der niemals Gelegenheit zum Schwimmen hat. Der Katholik führt das italienische Restaurant im Schwimmbad und verkauft Pizzen mit und ohne Schweinefleisch, Pommes frites für Menschen mit und ohne Glauben. Auch die Polizisten verköstigt er, die wieder einmal am Beckenrand für Ordnung sorgen mussten. Und auch für den kurdischen Schwimmanfänger, der mit Anfang 30 endlich schwimmen lernt, hält er eine Apfelschorle parat.