Frau Thomas Mann

Frau Thomas Mann

Katharina Mann, genannt Katia, stand ihr Leben lang im Schatten und zu Diensten ihres weltberühmten Mannes Thomas Mann. Ihr Briefkopf lautete 'Frau Thomas Mann'. Eine Ehe, ein Leben, über das sich Katia Mann nur ein Mal vor laufender Fernsehkamera in einem langen Interview geäußert hat. Birgit Kienzle nimmt dieses Zeitdokument zur Grundlage für ihr Porträt. Katia Mann, geborene Pringsheim, war die Tochter des wohlhabenden jüdischen Mathematikprofessors Alfred Pringsheim. Sie wächst in hochherrschaftlichen Verhältnissen auf, in einem Münchner Haus, in dem Literaten und Musiker ein- und ausgehen. Auch Thomas Mann - durch die 'Buddenbrooks' bereits früh zu Ruhm gekommen - ist hier zu Gast und erwählt sich die junge Katia zielstrebig zu seiner Frau. Ein wohl kalkulierter Plan, der Thomas Manns homoerotischen Neigungen eine vollkommene bürgerliche Deckung gibt. Katia wird ihn ein Leben lang gewähren lassen. Luxus und großbourgeoises Ambiente prägen zwar das gemeinsame Eheleben, sechs Kinder werden gezeugt, aber Katia leidet doch unter dieser künstlichen Konstellation. 1912 verweigert die Familienmutter den Dienst, psychosomatische Symptome zwingen sie zum Kuraufenthalt in Davos. Doch auch hier profitiert wieder Thomas Mann: Das Sanatorium 'Berghof' dient ihm als Vorlage für seinen Jahrhundertroman 'Der Zauberberg'. Die Arbeit daran ist ihm heilig. Die Familie vernachlässigt er dafür sträflich. Mit Erfolg: 1929 wird ihm der Literaturnobelpreis verliehen. Genugtuung auch für Katia. Beweis für die Richtigkeit des literarisch-ökonomischen Modells der 'Firma Mann'. Katia ist Verwalter, Finanz- und Außenminister der Familie. Sie kleidet sich auch so: Herrengarderobe, Krawatte, Hemden. Die Metamorphose ist perfekt. Unter den Nationalsozialisten bleibt den Manns nichts anderes übrig als auszuwandern. Zuerst in die Schweiz, dann in die USA. Managerin der häufigen Umzüge ist Katia. Um Thomas zu chauffieren, macht sie den Führerschein. Und kümmert sich auch weiter um die Kinder. Alle - Freud lässt grüßen - sind sie psychisch verwundet. Drei von ihnen wird Katia überleben. Schicksalsschläge steckt Katia Mann scheinbar unberührt weg. Ihre Rolle als eisernes Rückgrat der Familie verlangt es. Nach dem Krieg kehren die Manns nach Europa zurück, fortan residieren sie in Kilchberg bei Zürich. Als Katia 1980 im biblischen Alter von 96 Jahren stirbt, ist ihr Tommy schon ein viertel Jahrhundert tot. Filmischer Lebenslauf einer selbstbewussten, früh emanzipierten Frau, die es sich trotzdem zur Lebensaufgabe machte, Frau Thomas Mann zu sein. Deshalb ist der Film indirekt auch ein Portrait Thomas Manns - durch Katias Augen betrachtet.

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