
Fernsehlieblinge - Deutschland, deine Krimis
Knapp ein Jahr nach dem Fall der Mauer im November 1989 kam es auf den Fernsehschirmen in Deutschland West und Deutschland Ost zu einem denkwürdigen Ereignis: Die BRD-'Tatort'-Kommissare Horst Schimanski und Christian Thanner spielen zusammen mit den DDR-'Polizeiruf 110' Kommissaren Leutnant Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller) und Hauptmann Peter Fuchs in der gemeinsamen Produktion 'Unter Brüdern'.
Die populärsten Kommissare aus Ost und West in einem Film - eine filmische Wiedervereinigung der besonderen Art. Sie führte zusammen, was sich seit 1957 parallel, aber nicht unabhängig voneinander, über drei Jahrzehnte hinweg im Fernsehen der beiden deutschen Staaten zur Freude des Publikums entwickelt hatte. Begonnen hatte die Tradition der eigenständigen deutschen Fernsehkrimis 1957 mit zwei Hamburger Journalisten, Wolfgang Menge und Jürgen Roland. Sie berichteten in fiktionaler Form über die Arbeit der Polizei und begründeten damit ein Genre, das bis heute weltweit hohes Ansehen genießt: der deutsche Fernsehkrimi. 'Stahlnetz' war von Anfang an ein Straßenfeger - in Ost und West.
Das Fernsehen der DDR in Berlin Adlershof reagierte schnell auf diesen Erfolg und schuf das ostdeutsche Pendant 'Blaulicht'. Ebenfalls eine fiktionale Serie, die über die Arbeit der Volkspolizei berichtete. 'Blaulicht' hatte in der DDR eine ähnlich hohe Zuschauerakzeptanz wie 'Stahlnetz'. Zwei große Unterschiede der beiden Formate gab es jedoch: 'Stahlnetz' berichtete über die Kriminalität des Wirtschaftswunderlandes und 'Blaulicht' über die Kriminalität, die aus dem Westen in den Osten schwappte, denn als überlegene Gesellschaftsform gab es keine systemimmanente Kriminalität. Eine ideologische Vorgabe, die sich schnell zum Bumerang entwickelte, als die DDR unter dem Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht die Mauer, die fortan Deutschland trennte, bauen ließ. Den Machern ging schlicht und einfach der Stoff aus. Die Krimis Made in DDR beschäftigten sich fortan nur noch mit Kaninchendiebstahl oder leicht verwirrten Einzeltätern.
Beide Krimireihen kamen in Ost und West beim Zuseher sehr gut an. Schnell entschlossen sich die Sender, neue Kommissarfiguren zu kreieren. Erik Ode als Kommissar Keller, Fritz Wepper als Inspektor Harry Klein oder Horst Tappert als Kommissar Stefan Derrick wurden in den folgenden Jahren zu Kultstars der Fernsehlandschaft. Die Deutschen, so schien es, waren süchtig nach diesem Genre. Einschaltquoten bis zu 80% belegen die Erinnerung von Fritz Wepper, der im Film rückblickend analysiert: 'Wir hatten nur eine Konkurrenz - die deutsche Fußballnationalmannschaft.' Richtig Bewegung in die Krimiszene kam Anfang der 70er Jahre dann durch eine neue Krimireihe: 'Tatort'. Die Filme waren spannender, unterhaltsamer und vor allem filmischer. Aus den kammerspielartigen Serien wurden kinoähnliche Fernsehformate und die Zuschauer hatten schnell neue Fernsehlieblinge. Auch die Fernsehzuschauer in der DDR waren von der Serie begeistert und wanderten massenweise in die ARD ab. Ein erneutes Alarmsignal für die Macher in Adlershof. Sie hoben daher zügig eine Ost-Variante des 'Tatorts' aus der Taufe: den 'Polizeiruf 110'. Die Serie war ähnlich konzipiert und gemacht wie der 'Tatort', hatte aber zwei eigenständige Programmelemente, die sie vom Westkonkurrenten abhob: Die Geschichten waren weniger auf Unterhaltung und Action angelegt, sondern mehr auf die moralischen Aspekte und erstmalig war mit Sigrid Göhler, in der Rolle als Polizeileutnant Vera Arndt, eine Frau Chefermittlerin. Beide Serien, 'Tatort' und 'Polizeiruf 110' wurden zum Aushängeschild der Fernsehproduktionen in West und Ost, hatten ihre eigenen Stile, ihre eigenen mehr oder weniger subtilen Erzählstrukturen, die von den Zuschauern angenommen wurden.