Europas Hafenstädte

Europas Hafenstädte

Der Film stellt fünf sehr unterschiedliche Weltkulturerbestätten vor, die eines gemeinsam haben: Es sind europäische Häfen - Handelsplätze, Sehnsuchtsorte und Tore in die Welt.
Gezeigt wird das britische Liverpool, das belgische Brügge, die van Nelle Fabrik in Rotterdam, Speicherstadt und Chilehaus in Hamburg, sowie die sizilianische Hauptstadt Palermo.
Liverpool war im 18. Jahrhundert eine der bedeutendsten Städte des britischen Imperiums. 40 Prozent des Welthandels wurden damals über Liverpool abgewickelt. Ihren Wohlstand verdankte die Stadt auch dem Sklavenhandel. Zeugen dieser nicht immer ruhmreichen Vergangenheit sind die so genannten "Drei Grazien". Am Ufer des Mersey thronen prachtvoll das Royal Liver Gebäude, das Haus der Cunard - Reederei und das der Hafenbehörde. Sie sind Wahrzeichen von Liverpool.
Eine Naturkatastrophe hat den Aufstieg Brügges zu einem der bedeutendsten Handelsplätze Europas im Mittelalter zumindest begünstigt. Eine Sturmflut pflügte 1134 eine Rinne in die Meeresbucht Zwin und schuf einen direkten Zugang zur Nordsee. Brügge entwickelte sich zu einem der meistangelaufenen Häfen im Norden Europas, war bald Drehscheibe im internationalen Handel. Brügge erlebte sein Goldenes Zeitalter. Das Ende des 15. Jahrhunderts brachte den Niedergang. Der Zwin - Brügges Verbindung zur Nordsee - versandete. In der Folge lähmte jahrhundertelanger Stillstand die Stadt. Und auch die Industrielle Revolution ging an Brügge vorbei. Im Rückblick ein großes Glück - nichts wurde abgerissen, um Platz für Fabriken zu schaffen. Da auch die beiden Weltkriege Brügge verschonten, blieb die Altstadt nahezu erhalten.
Die Van Nelle Fabrik, erbaut 1926-1931, verkörpert wie das deutsche Bauhaus die architektonische Avantgarde der Klassischen Moderne. Funktionalität und Ästhetik gehen eine Symbiose ein, die bis heute Architekten inspiriert. Der Industriebau wurde nach dem amerikanischen Vorbild der Daylight Factory konzipiert. Um die Fabrikräume optimal zum Licht hin zu öffnen, fanden neue Techniken Anwendung. Dabei wurden Vorhangfassaden mit durchgehenden Fensterbändern vor eine tragende Konstruktion mit pilzförmigen Stahlbetonsäulen montiert. Rotterdam, der größte Seehafen Europas, wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig durch deutsche Bomben zerstört. In Schiedam, einem westlichen Vorort, steht die Van Nelle Fabrik. Bis 1995 werden hier Tabak, Kaffee und Tee verarbeitet.
Mit der Verwirklichung des Industriebaus profiliert sich Chefarchitekt Leendert van der Vlugt als vielversprechender Protagonist des Neuen Bauens. Doch die Van Nelle Fabrik ist eigentlich das Projekt des jungen Kees van der Leeuw, der von der Eigentümerfamilie bestimmt wird, die Verwirklichung in die Hand zu nehmen. Den Jungunternehmer interessieren amerikanische Produktionsmethoden. Er begeistert sich für moderne Architektur und abstrakte Malerei, ist Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und Anhänger des spirituellen Lehrers Jiddu Krishnamurti. Mit der Van Nelle Fabrik verfolgt Kees van der Leeuw nichts weniger als ein Gesamtkunstwerk, das die Rationalität industrieller Produktion, die Kunst des Neues Bauens sowie die Suche nach einem ganzheitlichen Menschenbild in sich vereinen soll. Der Bau selbst ist eine Pionierleistung der Ingenieurskunst.
Noch bis Ende 2002 trennt eine der letzten europäischen Grenzen "Zollausland" des Hamburger Freihafens von der Altstadt. 1888 als größtes Lagerhausensemble der Welt erbaut, trägt die Speicherstadt mit benachbartem "Chile Haus" seit Juni 2015 das Etikett UNESCO-Weltkulturerbe. Den Freihafenstatus ringt die Hansestadt 1881 Reichskanzler Bismarck ab: vereinfachter Handel als Gegenleistung für den Beitritt zum Deutschen Zollverein. In nur sechs Jahren stampfen die Hamburger das größte Lagerhausensemble der Welt aus dem Boden. Dafür muss ein ganzer Stadtteil weichen, knapp 20 000 Menschen werden in die bereits übervölkerte Altstadt vertrieben. Ein Opfer "zum Wohle des Handels".
Die Hansestadt steigt bis zu Beginn des ersten Weltkrieges nach London, New York und Rotterdam in die Liga der bedeutendsten Häfen der Welt auf. Lange gilt die Keimzelle des Hamburger Hafens als Monument der ruhmreichen Geschichte von hanseatischem Kaufmannsgeist und feinen Profiten in einer Stadt, die bis heute die meisten Millionäre des Landes zählt. Dass dieses rapide Wachstum nicht nur der Speicherstadt zu verdanken ist, sondern vor allem der von hanseatischen Kaufleuten angestoßenen rigorosen deutschen Kolonialpolitik, wird bis heute gerne unterschlagen. Reparationszahlungen nach dem ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise dämpfen den hanseatischen Kaufmannsgeist.
Dennoch beschließen die Hamburger, das bereits abgerissene "Gängeviertel" gegenüber der Speicherstadt neu zu bebauen. Devisen sind gefragt. In diese Bresche springt der reichste Hamburger Kaufmann seiner Zeit: Henry Barens Sloman, der mit dem Handel von Salpeter aus Chile ein Vermögen machte. Sloman beauftragt Fritz Höger, einen Absolventen der Hamburger Baugewerbeschule, mit Planung und Bauausführung des ersten "Hamburger Wolkenkratzers". Kaum ist das "Chile Haus" an Hamburgs Fischertwiete 1924 eingeweiht, nimmt es als "Ikone des Backsteinexpressionismus" einen prominenten Platz in der Architekturgeschichte ein. Während Sloman's Chile Haus, die Bombardements der Alliierten nahezu unbeschadet übersteht, überleben bis Kriegsende von 100 Speichern nur 58 die Hamburger Bombennächte. Bereits kurz nach Kriegsende beauftragt die "Hamburger Hafen - und Lagerhaus-AG" den jungen Altonaer Architekten Werner Kallmorgen mit dem Wiederaufbau der Speicherstadt. Bis Anfang der 1970er-Jahre beherbergen die wieder aufgebauten Speicherblöcke bis zu 25 000 Hafen - und Lagerarbeiter. Erst als der Schutenverkehr auf den Fleeten durch LKW abgelöst und der Handel auf Containertransport umgestellt wird, haben Quartiersmänner, Schauerleute, Winschmänner, Wäger, Tallymänner, Ewerführer und Küper ausgedient. Die einst umsatzstarken Tee - und Kaffeekontore ziehen ins Hamburger Umland, ebenso Gewürz-, Speiseöl - und Textilhandel. Was bleibt ist neben einigen Teppichhändlern wenig mehr als Folklore.
Anfang 2013 verliert die Speicherstadt auf Antrag des Hamburger Senats schließlich vollständig ihren Freihafenstatus und dadurch den entscheidenden Teil ihres ursprünglichen Zwecks. Um einem Totalabriss vorzubeugen, soll das einstige "Reich der Backsteingotik" möglichst attraktiv bleiben: als Milieugeber für die angrenzende HafenCity, einem gigantischen Neubauprojekt mit sündhaft teurem Wohnraum. Die Seele der alten Speicherstadt hingegen habe sich verflüchtigt, glaubt man einigen längst pensionierten Speicherarbeitern. Geblieben seien lediglich Fassaden für Agenturen, Theater, Kneipen und Souvenirläden.
Die Sizilianer erinnern sich gerne an die ferne, zwei Jahrhundert währende, arabische Episode ihrer Insel. Überall finden sich arabische Reminiszenzen: in der Architektur, in der Sprache, in Küche, Bräuchen, Grabmalen und auch im Prunk der Kathedralen. Doch vieles was arabisch scheint, ist in Wahrheit normannisch, so auch der Palast von Maredolca. Ein Beispiel für das Normannisch-Arabische Erbe, das die UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichnet hat.
Die Kulturgeschichte Siziliens ist labyrinthisch. Wie die unterirdischen Bewässerungssysteme. Der Palast befindet sich in Restauration, er wird auch Palast La Favara genannt und liegt in Brancaccio, einem der Viertel Palermos, die dem Besucher nicht ganz geheuer sind. Palazzo d'Emiro ist ein weiterer Name für dieses Gebäude, und als Emirspalast galt er auch in der wissenschaftlichen Literatur. Denkt man sich die abenteuerlichen Ein - und Anbauten weg, in denen bis vor einigen Jahren arme Familien, mit Genehmigung der zuständigen Paten und ohne Kenntnis der Behörden, ihre karge Bleibe hatten, so könnte man sich nichts leichter an diesem Ort vorstellen als einen arabischen Potentaten und seinen Hofstaat. Vor allem des riesigen Bassins wegen, heute bestenfalls ein Sumpf. Damals ragte der Palast wie eine Halbinsel in das Bassin und spiegelte sich in seinem Wasser.
Jüngste Ausgrabungen jedoch bewiesen: Sowohl der Palast als auch das Bassin wurden von Normannen gebaut, auf einem Fundament aus der Römerzeit. Normannische Ritter hatten Sizilien den Arabern im 11. Jahrhundert entrissen und ein eigenes Königreich begründet. Trotz aller über Jahrzehnte andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen waren sie es vermutlich, die als erste die arabische Epoche "mit einem gewissen Behagen" sahen. Denn sie zerstörten nicht, was sie vorfanden, sondern übernahmen, was ihnen gefiel. Die Eroberer, in der klugen Erkenntnis, dass sie keinen eigenen Stil zu bieten hatten, außer auf dem Schlachtfeld, passten sich den Eroberten an.
Noch einmal trifft Max Moor den Journalisten und Schriftsteller Joe Bauer, der mit scharfem Auge und scharfer Feder auch und besonders seine Stadt Stuttgart beobachtet. Sie treffen sich dieses Mal am Neckar und unterhalten sich über Städte am Wasser - Flüsse haben in Städten eine ganz besondere Bedeutung. Auch der Neckar taucht in Joe Bauers Kolumnen immer wieder auf.

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