Empire Me - Der Staat bin ich!

Empire Me - Der Staat bin ich!

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Jeder träumt zuweilen davon, aus seinem Alltag auszubrechen und ein völlig neues Leben, jenseits aller Konventionen und Zwänge, zu beginnen. Doch ist dieser Traum realisierbar?

Der Traum von Utopia, vom besseren Leben im irdischen Paradies, wird vom Menschen schon lange und in immer neuen Versionen geträumt. Doch: Die immer engmaschigeren Lebensprinzipien der globalisierten Weltordnung lassen kaum Alternativen und Visionen zu.

Ein Phänomen macht damit Schluss: Das Gründen von Gegengesellschaften. Auf der Suche nach einer idealen Lebenskultur bauen sich hunderte Do-It-Yourself-Staaten ihre eigenen kleinen Welten. Mikronationen, Eco-Villages und Sezessionisten beschreiten mit realen Territorien und Gemeinschaften alternative Wege des Zusammenlebens. Über 500 verschiedene Gegengesellschaften haben sich seit den späten 1990er-Jahren formiert, manche kaum größer als eine Schaffarm, eine Meeresplattform - oder ein Laptop.

Tausende Freidenker sagen damit der neuen Weltordnung den Kampf an. Sie annektieren ganze Landstriche und Stadtviertel. Sie produzieren eigene Gesetze, Sprachen, Briefmarken und Geldnoten. Die Populationen reichen von 1 bis 500 000 und kommen aus den verschiedensten Schichten und Ideologien. In "Empire Me - Der Staat bin ich!" unternimmt der Dokumentarfilmer Paul Poet, selbst "Veteran" alternativer Netzwerke und sozialer Experimente, eine Reise zu sechs dieser Gegenwelten, die die unterschiedlichen Strömungen der Bewegung aussagekräftig repräsentieren.

Der abendfüllende Film ist als Road Movie in die Herzen uns fremder sozialer Gefüge angelegt, als Blick auf und hinter die Selbstinszenierung. Paul Poet und sein Film-Team erkunden dabei nicht nur die verschiedenartigen Visionen, von denen sich die Gegenwelten und ihre Macher leiten lassen - sie suchen vor allem nach dem gemeinsamen menschlichen Bedürfnis, das sie vereint: die Sehnsucht nach Bedeutung, Anerkennung und Gemeinschaft in einem zunehmend unüberschaubaren Weltgefüge.

Der Dokumentarfilm macht deutlich: Im 21. Jahrhundert ist Aussteigen gleichbedeutend mit Einsteigen. Die Existenz als Gegenwelt bedeutet heute ein Leben als potenzierte Ich-AG, fordert hochklassiges soziopolitisches Kulturmanagement, weltweite Vernetzung, wirtschaftliche Nachhaltigkeit, dezentrale Bündnisse. Und vor allem: das ständige Austricksen der etablierten Machtsysteme und Autoritäten, mit denen man sich in permanentem Kriegszustand befindet. Was bei diesen Gegenwelten auf den ersten Blick bunt, charmant, skurril wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als sympathisch exzentrische Kampfansage von gewöhnlichen Menschen, die sich von der neoliberalen Weltordnung in die Enge gedrängt fühlen. Mit ihren realpolitischen Schildbürgertaten eröffnen sie Wege, sich nicht als ohnmächtiges kleines Rädchen der Post-Demokratie zu fühlen. Ganz nach dem Motto: Wenn dir deine Welt nicht passt, bau dir deine eigene!

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