
Ein Volk verschwindet
Deutschland 1937: Der 16-jährige bekennende Antifaschist Max Ebel wird in einer Auseinandersetzung mit Hitlerjungen mit einem Messer verletzt. Die Lage in Deutschland wird für ihn so gefährlich, dass er beschließt, zu seinem Vater nach Boston zu fliehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bilden die Deutsch-Amerikaner eine der wichtigsten ethnischen Gruppen in Wirtschaft, Finanzen, Bildung, Forschung und Landwirtschaft. Mit Sorge wendet sich ihr Blick in die alte Heimat. In Europa tobt ein entsetzlicher Krieg. Antideutsche Propaganda heizt die Kriegsstimmung an und sorgt in Amerika für Intoleranz und Hass. Es sind die gleichen Muster, die schon während des Ersten Weltkrieges die Deutsch-Amerikaner unter Druck gesetzt haben. Alles Deutsche wird aus der amerikanischen Sprache getilgt, deutsche Namen werden amerikanisiert, deutsche Kultur verschwindet aus dem öffentlichen Leben. Während beider Weltkriege versuchen die Deutsch-Amerikaner, ihre deutsche Identität unsichtbar zu machen. Viele werden als Spione verdächtigt, ein harmloser deutschstämmiger Arbeiter wird von nationalistischen Amerikanern gelyncht. Kaum in Amerika angekommen, meldet Max Ebel sich freiwillig zum Kriegsdienst. Er will im Pazifik kämpfen, den Einsatz in Deutschland lehnt er ab, weil sein Bruder und seine Mutter noch dort leben. Das wird ihm zum Verhängnis. Er wird verhaftet und monatelang interniert. Aus Deutschland setzt eine Massenflucht vor dem NS-Terror ein und die USA legen erstmals in ihrer Geschichte Einwanderungsquoten fest. Auch das renommierte jüdische Ärzteehepaar Nathorff kommt mittellos aus Berlin in New York an. Hertha Nathorff, einst gefeierte Leiterin der Rot-Kreuz-Kinderklinik in Berlin, zeichnet das Drama ihrer Vertreibung in ihrem erschütternden Tagebuch auf. Sie arbeitet in New York als Putzfrau und Bar-Pianistin, finanziert ihrem Mann das Studium, doch sie selbst darf nicht als Ärztin praktizieren. Im Jahr 1993 stirbt sie völlig verarmt und verbittert in New York. Nach Kriegsende dauert es noch Jahrzehnte, bis sich das Verhältnis der Amerikaner zu ihren deutschstämmigen Landsleuten normalisiert. Heute sind sie vollkommen im amerikanischen Schmelztiegel aufgegangen. Auch Max Ebel lebt noch in New Hampshire.