Ein Tag, ein Jahr, ein Leben

Ein Tag, ein Jahr, ein Leben

Ist Leben identisch mit der unvermeidlich vergehenden Zeit? Diese Frage beschäftigte Christa Wolf über viele Jahrzehnte in fast allen ihren Büchern: vom 'Geteilten Himmel' über 'Kindheitsmuster' und 'Christa T.' bis zu 'Kassandra'. Um dem Phänomen der Vergänglichkeit auf den Grund zu gehen, unternahm die Schriftstellerin einen Selbstversuch. Seit 1960 beschrieb sie immer wieder einen Tag im Jahr, den 27. September. 2003 veröffentlichte sie diese sehr private Alltagsgeschichte. Der Leser verbringt 40 Tage in 40 Jahren mit der Autorin. Am Schluss meint er, Christa Wolf gut zu kennen: ihre Freude an gutem Essen ebenso wie ihre Ängste und die Gewohnheit, sich eine Krankheit als Schutzhülle zu suchen, ihre Scheu vor jedem Ortswechsel und jedem Aufwachen in einem fremden Haus. Man erkennt, dass es in diesem durch politische Umbrüche sehr bewegten Leben eine feste Burg, eine Sicherheit, gibt. Christa und Gerhard Wolf waren beide Schriftsteller und seit über 50 Jahren ein eingespieltes Team. In einem halben Jahrhundert hatten sich feste Rituale entwickelt und jeder wusste, was der andere gerade dachte und wie es um ihn bestellt war. Aus Paris war der Dichter Alain Lance nach Berlin gereist, er hatte Christa Wolfs Tagebuch für den französischen Literaturmarkt übersetzt. Eine günstige Gelegenheit, bei einem vorzüglichen Essen und einem guten Gespräch eine alte Freundschaft wieder aufleben zu lassen.

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