Ein Koffer Leben

Weil es nur einen kleinen Schrank für alle gibt, befindet sich sein 'ganzes Leben' im Koffer unter dem Bett. Hauke aus dem hohen Norden wohnt mit fünf Arbeitern auf einem Zimmer. Für 6,50 Euro je Nacht und Bett. Hier in einem Arbeiterhotel an einer deutschen Landstraße. Weil es billiger ist, kaufen sie einmal die Woche für alle bei Aldi ein, kochen und essen gemeinsam in der Flurküche. Wochen-, monatelang nächtigen sie hier. Tausend Kilometer weg von zu Hause. Daheim findet Hauke keinen Job und ist deshalb quer durch die Republik auf 'Montage' unterwegs. Baustelle hier, Baustelle da. Jeder Job ist willkommen. Die Raten und finanzielle Verpflichtungen drücken. Die Zeiten, in denen Menschen von der Lehre bis zur Rente in einem Betrieb beschäftigt waren, sind vorbei. In den Familienberatungsstellen der Kirchen stehen die Pendler Schlange. 'Aus dem Koffer zu leben', steigert den Druck und die Einsamkeit. 'Am Wochenende bin ich nur der Gast, der daheim alles durcheinander bringt', so empfindet es Hauke manchmal. Eineinhalb Stunden mit dem Fahrrad ist Gertrud schon unterwegs aus ihrem thüringischen Dorf, wenn sie morgens um fünf Uhr an der Haltestelle ankommt, von der sie der Bus mit 75 weiteren Pendlern Richtung Bayern zu einem Lager bringen wird. Acht Stunden Arbeiten im Akkord, - Jeans, T-Shirts, Hemden, Jacken verpacken. Danach geht es wieder zurück in ihr Dorf mit dem Pendlerbus und dem Fahrrad. Wenn sie denn den Bus rechtzeitig erreicht. Ansonsten nächtigt sie auch schon mal bei Kolleginnen auf dem Sofa oder in einem Wohnwagen auf einem Parkplatz. Clevere Geschäftsleute stellen diesen für solche Fälle Pendlern günstig zur Verfügung. Für diesen Fall hat Gertrud immer einen kleinen Koffer dabei. Daheim kümmert sich die Oma um Gertruds Kinder: Essen kochen, Schularbeiten, Spielen. Gertrud lebt allein mit ihren Kindern. Als die Ehe in die Brüche ging, musste sie etwas in Sachen Arbeit unternehmen. Hartz IV: niemals. Sie sieht die Nachbarn, Freunde, die mit dem Alkohol kämpfen.