Ein Job ist nicht genug

Ein Job ist nicht genug

Gegen drei Uhr morgens steigt Egon in den LKW. Freitags fährt er für eine Kleiderspedition von Essen nach Koblenz. Früh hin, abends zurück. Am nächsten Tag arbeitet er als Kurierfahrer im Ruhrgebiet. Der 56-jährige Industriekaufmann hat schon mal bessere Zeiten erlebt. Er war leitender Angestellter. Die Firma wurde geschlossen, er stand auf der Straße. Für die einen war er überqualifiziert, für die anderen hatte er nicht die nötigen Papiere. Sein Spesenkonto war mal so groß wie sein Monatsverdienst heute. Die Erinnerung schmerzt, doch es hilft nichts. Er muss Geld verdienen, und er muss arbeiten, viel arbeiten, denn bezahlt wird er nur, wenn der Wagen läuft. Auch Stefanie bei Hamburg muss sich nach der Decke strecken. Morgens bringt sie die Kinder kurz vor sieben zum Bus, danach fängt bei ihr der Arbeitstag an: Einkaufen für die Küche im Kinderheim, wo sie als Hauswirtschafterin arbeitet, und dann kochen, saubermachen, was so anfällt. Sie kann im Heim nur drei Tage arbeiten, mehr gibt der Stellenplan nicht her, doch das reicht nicht. In einer Demenz-WG arbeitet die gelernte Arzthelferin noch auf 400 Euro-Basis. Aber auch mit zwei Jobs ist es eng. Vor ein paar Wochen musste sie kürzertreten, weil sie so viel gearbeitet hatte, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stand. Jede drohende Anschaffung- der Herd funktioniert nicht mehr richtig - führt zum Schweißausbruch. Seit 2003 hat sich die Zahl der Menschen, die nach Feierabend einem Zweit- und Dritt-Job nachgehen, mehr als verdoppelt. Wer im Niedriglohnsektor arbeitet, also zehn Euro oder weniger in der Stunde verdient, kommt oft trotz Vollzeitbeschäftigung kaum über die Runden. Steigende Mieten und Lebenshaltungskosten führen dazu, dass die Betroffenen eine zweite oder dritte Beschäftigung annehmen - mit der Gefahr körperlicher und psychischer Überlastung bis hin zum Burnout. 37° stellt zwei Multijobber vor, die sich den Herausforderungen ihres Alltags stellen.

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