Ein Jahrhundert im Wiesn-Rausch

Ein Jahrhundert im Wiesn-Rausch

1910 feierte die Wiesn ihren 100. Geburtstag. Damals erfreute sich der Prinzregent an strammen Vorführungen zur vaterländischen Ertüchtigung. Heute erschöpft sich der körperliche Wiesn-Einsatz meist im Maßkrug-Stemmen - mit Inbrunst im Bierdunst.

Aus der patriotisch gesinnten Feier des 19. Jahrhunderts, als der bayerische Untertan vor dem Königszelt noch seine Huldigung erbot, wurde im 20. Jahrhundert ein kommerzielles Spektakel der Superlative. Immer höher, immer schneller, immer lauter, immer teurer - Europas größtes Volksfest nahm eine geradezu schwindelerregende Entwicklung.

Sybille Krafft unternimmt einen unterhaltsamen Streifzug durch die Geschichte des Münchner Oktoberfestes. Sie hat sich mit traditionsreichen Schaustellerfamilien unterhalten und in den Filmarchiven erstaunliche Raritäten entdeckt. Mit den Zeiten änderten sich nämlich auch die Sensationen: Unsere Großeltern bestaunten bei den "Völkerschauen" noch Kalmücken-Karawanen, kaukasische Reiter und indische Schlangenbeschwörer, in den 1950er-Jahren wurden in der "Zwergenstadt Liliput" sogar kleinwüchsige Menschen zur Schau gestellt. Damals gab es auch noch die echten Wiesn-Originale wie die Steilwand-Kitty, den alten Vogel-Jakob oder den eleganten Herrenreiter vorm Hippodrom. Vorbei sind leider auch die Zeiten mit einem so süffigen Bierpreis von 2 Mark pro Wiesn-Maß wie in den 1960er-Jahren. Ein unergründbares Rätsel der menschlichen Natur bleibt dagegen bis heute die kopflose Frau ohne Unterleib mit ihren vier Brüsten.

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