Die Wunschkindpille aus Jena - 50 Jahre Ovosiston

Die Wunschkindpille aus Jena - 50 Jahre Ovosiston

1965. Leipziger Messe. Das Highlight der DDR in diesem Jahr ist sehr klein und bekommt gleich die Goldmedaille für besondere Verdienste. Der VEB Jenapharm stellt Ovosiston vor, die "Wunschkindpille" der DDR. Als erstes Ostblockland folgt die DDR damit der Verhütungs-Revolution, die aus den USA herüberschwappt. Im Verein mit sozialen Fördermaßnahmen soll die Pille Frauen die Chance eröffnen, Beruf und Mutterschaft miteinander zu vereinbaren. Anders als die Antibabypille im Westen wird die des Ostens kostenlos abgegeben. Eine eigenartige Gerechtigkeitsidee: Der Schwangerschaftsabbruch in der DDR war kostenfrei, da durfte auch die hormonelle Verhütung nichts kosten.

Zur Entstehungsgeschichte der DDR-Pille gibt es widersprüchliche Überlieferungen. Die Forscher von Jenapharm behaupten, sie hätten das Rezept entwickelt. Aber es wurde ein Spion des Stasi-Auslandsdienstes dafür ausgezeichnet, dass er die betreffende Formel bei Schering ausgekundschaftet habe. Wie auch immer - das erste Ost-Kontrazeptivum vom VEB Jenapharm kommt der West-Rezeptur verdächtig nahe. Es wird ohne pharmazeutische Testphase noch 1965 freigegeben. Die Ost-Innovation lag in der Vollsynthese der Wirkstoffe, damit konnte Jenapharm importunabhängig produzieren.

Die Dokumentation zeigt auch, was für ein Politikum die Ost-Pille war. Denn die Entscheidungsträger im SED-Politbüro und im Gesundheitsministerium hatten sehr unterschiedliche Intentionen. Die Autorin und Regisseurin Ute Gebhardt befragt Pharmazeuten, Ärzte und SexualaufklärerInnen, die Ovosiston & Co. auf den Weg brachten. Sie fragt Frauen und Männer nach dem individuellen, oft eigensinnigen Umgang mit dem staatlichen Angebot. Denn wenn Frauen in Ost und West heute einen unterschiedlichen Grad von Emanzipation haben, dann liegt das auch an der Pille. Sie stellt die ethischen Fragen zur Familienplanung und zur Verantwortung für das ungeborene Leben, nicht zuletzt an zwei renommierte Jenaer Historiker, Annette Leo und Christian König.

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