Die Reportage: Die Seehund-Retterin

Die Reportage: Die Seehund-Retterin

Noch nie wurden an der Nordseeküste so viele Seehunde gezählt wie im Jahr 2012. Allein in Schleswig-Holstein gibt es etwa 9.270 davon, mehr als 26.200 Tiere im Wattenmeer von Deutschland, den Niederlanden und Dänemark. Umweltschützer freuen sich über den Rekordwert. Anders die Fischer. Sie machen die steigende Anzahl der Robben dafür verantwortlich, dass es nicht mehr genug Plattfisch und Kabeljau gibt und fordern den Abschuss der Tiere. Tierärztin Janine Bahr von der Insel Föhr hält nichts von solchen Jagdabsichten, denn die Jagd auf Seehunde ist in Deutschland verboten. Und außerdem seien die Tiere trotz steigender Population in einer bedrohlichen Situation. Weil die Verschmutzung der Meere voranschreite, würden die Abwehrkräfte der Robben immer stärker geschwächt. Nach ihrer Erfahrung werden immer mehr Tiere von Lungenwürmern befallen und sterben daran. Im Sommer ist Janine Bahr ständig im Einsatz und kümmert sich um junge verlassene und kranke Seehunde. Doch ihr Engagement ist eine heikle Angelegenheit, denn in Schleswig-Holstein dürfen laut Jagdgesetz nur staatlich bestellte Seehundjäger entscheiden, ob ein einsamer Heuler am Strand überlebensfähig ist oder vor Ort erschossen wird. Janine Bahr hält die Gesetzeslage für untragbar. Ihrer Meinung nach müssen Veterinäre entscheiden, wie es um die Tiere steht. Schon seit Längerem fordert sie eine zusätzliche Seehundstation auf Föhr. Die einzig autorisierte Aufnahmestelle in Friedrichskoog reicht ihrer Ansicht nach nicht aus für die vielen verlassenen oder erkrankten Robbenbabys. Um die Situation im Sommer zu entschärfen, würde die Inseltierärztin gern selbst bedürftige Heuler aufnehmen und behandeln. Ihr Vorbild ist die weltgrößte Seehundklinik im niederländischen Pieterburen. Seit Jahren unterstützt Janine Bahr die niederländischen Kollegen bei der Rettung und Aufzucht verlassener Seehundkinder. Immer häufiger werden auch dort Robben, die an einem Lungenwurm erkrankt sind, aufgefunden. 'In Schleswig-Holstein hätten solche Seehunde wohl keine Überlebenschance gehabt. Vermutlich wären sie von Seehundjägern getötet worden', meint die Veterinärin. NDR Autor Stefan Weiße begleitet die engagierte Tierärztin mit seinem Team bei ihrer Arbeit auf Föhr und in den Niederlanden. Wenn in diesem Sommer wieder hilfsbedürftige Heuler am Strand von Föhr entdeckt werden, wird Janine Bahr sie trotz aller Widerstände erstversorgen und mit Medikamenten stabilisieren. Das hat sie sich fest vorgenommen. Noch hat die Robbenexpertin Hoffnung, dass sie irgendwann einmal auf Föhr eine eigene Seehundstation betreiben darf.

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